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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Archiv über seinen Bildern saß und statt nach Hause zu gehen bis tief in die Nacht hinein in der Redaktion herumgeisterte. Die Frauen im Haus mieden ihn tunlichst und erfanden hinter seinem Rücken boshafte Klatschgeschichten über ihn. Im Lauf der Jahre hatten sie ihn abwechselnd und stets im Brustton der Überzeugung als Pädophilen, Spanner und Exhibitionisten bezeichnet, weil sie sich nur so seine Faszination für Bilder erklären konnten. Deacon, dem er so unsympathisch war wie den Frauen, hatte dennoch Mitleid mit ihm. Barry führte ein seltsam karges Leben.
    »Noch hier?« fragte er mit falscher Herzlichkeit, als er die Tür öffnete und den Mann über einen Zeitungsausschnitt gebeugt an seinem Schreibtisch sitzen sah.
    »Wie Sie sehen, Mike.«
    Er schob eine Gesäßbacke auf die Schreibtischkante. »Lisa hat mir gesagt, daß Sie ihren Film entwickelt haben. Ich wollte mal sehen, wie er geworden ist.«
    »Ich hole Ihnen die Kontaktabzüge.« Barry watschelte, einer dicken weißen Küchenschabe ähnlich, eilig aus dem Zimmer, und Deacon, der ihn kritisch betrachtete, sagte sich, es müsse die Art sein, wie er sich bewegte, die andere so abstieß. Die kleinen Trippelschrittchen, die er machte, hatten etwas sehr Weibisches, und Deacon fragte sich nicht zum erstenmal, ob Barrys Schwierigkeiten nicht mehr mit unterdrückter Homosexualität als mit den heterosexuellen Perversionen zu tun hatten, die die Frauen ihm zuschrieben.
    Er zündete sich eine Zigarette an und zog den Zeitungsausschnitt zu sich heran, den Barry gerade gelesen hatte, um ihn sich anzusehen.
    The Guardian, 6. Mai 1990
    Bankiersfrau auf freiem Fuß
    Amanda Streeter, 31, wurde gestern nach zweitägigen Verhören durch die Polizei ohne Anklage auf freien Fuß gesetzt. »Wir haben uns davon überzeugt«, erklärte ein Polizeisprecher, »daß Mrs. Streeter nicht in den Diebstahl von 10 Millionen Pfund bei Lowenstein’s Merchant Bank verwickelt ist und keinerlei Kenntnis vom Verbleib ihres Ehemannes hat.« Er bestätigte, daß vermutet wird, daß James Streeter, 38, irgendwann in der Nacht zum 27. April außer Landes geflohen ist. »Seine Beschreibung ist bereits in die ganze Welt hinausgegangen, und wir erwarten, daß er innerhalb von Tagen gefunden wird. Sobald wir von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt werden, werden die Auslieferungsformalitäten eingeleitet werden.«
    Amanda Streeters Anwalt gab folgende Erklärung an die Presse: »Mrs. Streeter ist tief erschüttert von den Ereignissen der letzten acht Tage und hat die Polizei bei der Suche nach ihrem Ehemann nach besten Kräften unterstützt. Jetzt, da die Ermittlungen gegen sie eingestellt sind, bittet sie, in Ruhe gelassen zu werden. Sie kann den Informationen, die der Öffentlichkeit bereits bekannt sind, nichts hinzufügen.«
    James Streeter wird beschuldigt, im Lauf der letzten fünf Jahre seine Position bei der Lowenstein-Bank dazu benutzt zu haben, Konten zu fälschen und mehr als 10 Millionen Pfund zu unterschlagen. Die Unregelmäßigkeiten kamen bereits vor etwa sechs Wochen ans Licht, Details wurden jedoch geheimgehalten, um eine Panik unter den Bankkunden zu vermeiden. Als sich zeigte, daß die hausinternen Untersuchungen erfolglos bleiben würden, beschloß der Aufsichtsrat, die Polizei hinzuzuziehen. Nur Stunden nach diesem Beschluß verschwand James Streeter. Gegen ihn wird in Abwesenheit Anklage erhoben werden.
    »Ich habe ihr Gesicht erkannt.«
    Deacon hatte Barry nicht zurückkommen hören und fuhr zusammen, als er in der Stille plötzlich die leicht keuchende Stimme hörte. Barry schob mit feistem Finger den Zeitungsausschnitt zur Seite und wies auf eine körnige Fotografie, die darunter lag.
    »Das ist sie mit ihrem Mann vor seiner Flucht. Lisa nannte sie Mrs. Powell, aber es ist dieselbe Frau. Sie erinnern sich wahrscheinlich an den Fall. Er ist nie gefaßt worden.«
    Deacon blickte auf die Fotografie von Amanda Powell-Streeter, 31 Jahre alt, hinunter. Sie trug eine Brille, ihr Haar war kürzer und dunkler, und ihr Gesicht war im Halbprofil. Er hätte sie nicht erkannt, doch jetzt, da er wußte, wer sie war, sah er die Ähnlichkeiten. Nachdenklich betrachtete er einen Moment den Mann an ihrer Seite und suchte nach einer Ähnlichkeit mit Billy Blake, aber so leicht machte es einem das Leben nicht. »Wie machen Sie das nur?« fragte er Barry.
    »Ich werde schließlich dafür bezahlt.«
    »Das erklärt nicht, wie Sie es machen.«
    Barry lächelte vor sich hin. »Manche

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