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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sagen, es sei eine Gabe, Mike.« Er legte die Kontaktabzüge auf den Tisch. »Da hat Lisa wirklich Mist gebaut. Es sind nur fünf oder sechs dabei, die halbwegs annehmbar sind. Sie muß sie noch mal machen.«
    Deacon hielt die Bögen ans Licht und musterte sie genau. Sie waren alle gleich schlecht, unscharf oder so unmöglich belichtet, daß Amandas Gesicht wie aus Granit gemeißelt aussah. Die letzten sechs der Folge waren gute Aufnahmen einer leeren Garage. Er drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher auf Barrys Schreibtisch aus, neben dem unübersehbar ein Schild stand, das besagte: »Ich bitte Sie, im Interesse meiner Gesundheit nicht zu rauchen.«
    »Wie, zum Teufel, hat sie’s fertiggebracht, solchen Pfusch zu produzieren?« fragte er ärgerlich.
    Barry leerte den Aschenbecher pingelig in seinen Papierkorb. »Offensichtlich ist an ihrem Apparat was nicht in Ordnung. Ich werd’ ihn mir morgen holen, um ihn prüfen zu lassen. Ein Jammer. Im allgemeinen ist sie sehr zuverlässig.«
    Angesichts der schlechten Qualität der Bilder war es um so erstaunlicher, daß Barry die Verbindung hatte herstellen können. Deacon kramte seinen Block aus seiner Jackentasche und nahm die beiden Fotografien von Billy Blake heraus. »Den erkennen Sie wohl nicht zufällig?«
    Barry nahm die Fotos und legte sie nebeneinander auf seinen Arbeitstisch. Er betrachtete sie lange. »Vielleicht«, sagte er schließlich.
    »Was soll das heißen, vielleicht? Entweder ja oder nein.«
    Barry machte ein gereiztes Gesicht. »Sie haben keine Ahnung, Mike. Angenommen, ich würde Ihnen ein paar Takte Mozart vorspielen, dann könnten Sie vielleicht erkennen, daß es Mozart ist, aber Sie könnten bestimmt nicht sagen, aus welchem seiner Werke die Tonfolge stammt.«
    »Was hat das mit dem Erkennen einer Fotografie zu tun?«
    »Das würden Sie ja doch nicht verstehen. Es ist sehr kompliziert. Ich muß mich erst mal damit beschäftigen.«
    Deacon fühlte sich gehörig zurechtgewiesen. Und nicht zum erstenmal an diesem Abend. Aber Gedanken an Barry würden ihn wahrscheinlich kaum quälen; eher schon Gedanken an eine Frau, die ihn an seine Mutter erinnerte.
    »Können Sie mir ein paar gute Negative von den Bildern machen? Höchstwahrscheinlich hat er ganz anders ausgesehen, als er noch gesund und bei Kräften war. Wir könnten vielleicht mit dem Computer versuchen, ihm ein Gesicht zu geben. Das wäre für Sie ein besserer Ausgangspunkt, oder?«
    »Möglich. Von wem haben Sie die Bilder?«
    »Von Mrs. Powell. Er ist in ihrer Garage gestorben. Er nannte sich Billy Blake, aber sie glaubt nicht, daß das sein wahrer Name war.« Er gab Barry eine rasche Zusammenfassung dessen, was Amanda ihm berichtet hatte. »Sie ist ganz besessen davon, ihn zu identifizieren und seine Familie ausfindig zu machen.«
    »Warum?«
    Deacon tippte auf die Zeitungsausschnitte. »Ich weiß es nicht. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, was aus ihrem Mann geworden ist.«
    »Die Negative kann ich Ihnen leicht machen. Wann wollen Sie sie haben?«
    »Gleich morgen früh?«
    »Ich mach’s Ihnen jetzt.«
    »Danke.« Deacon sah auf seine Uhr, als er aufstand, und stellte überrascht fest, daß es nach zehn war. »Plan geändert«, verkündete er und griff nach Barrys Mantel, der an einem Haken hinter der Tür hing. »Sie gehen jetzt mit mir einen trinken. Mensch, Mann, Sie sind doch nicht das Eigentum dieser verdammten Zeitschrift. Warum schicken Sie uns alle nicht ab und zu zum Teufel?«
     
    Barry Grover ließ sich von Deacon, der ihn unnachgiebig an der Schulter gepackt hatte, widerstrebend die Straße entlangschieben. Er hatte solche spontanen Einladungen schon früher genossen. Er wußte, wie das lief, wußte, daß er nur aufgefordert worden war, weil Deacon unregelmäßig von seinem Gewissen gequält wurde, wußte, er würde innerhalb von Minuten nach Betreten des Pubs vergessen sein. Deacons Zechkumpane würden in Trauben am Tresen hängen, und Barry würde unbeachtet abseits stehen, nicht bereit, sich aufzudrängen, wo er nicht erwünscht war, nicht bereit, durch vorzeitigen Aufbruch Aufmerksamkeit zu erregen.
    Doch wie immer lähmte ihn ein schreckliches Schwanken zwischen Furcht und Sehnsucht, als sie sich dem Pub näherten. Er fürchtete die unvermeidliche Zurückweisung, und er sehnte sich danach, als Deacons Freund akzeptiert zu werden. Deacon hatte Barry, seit er beim Street arbeitete, mehr saloppe Kameradschaftlichkeit gezeigt, als diesem seit Jahren widerfahren war.

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