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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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zusammengekniffenen Augen ein schrecklicher Zynismus. Leicht schockiert wurde ihm klar, daß Terry ihn für einen gutbürgerlichen Homosexuellen hielt, der auf der Suche nach einem Strichjungen war.
    »Informationen«, antwortete er sachlich. »Über einen Mann namens Billy Blake, der hier geschlafen hat, wenn er nicht im Knast war.«
    »Wer sagt, daß wir ihn gekannt haben?«
    »Die Frau, die seine Beerdigung bezahlt hat. Sie hat mir erzählt, daß sie hier war und auf einige ihrer Fragen Antworten bekommen hat.«
    »Ach, Amanda«, sagte einer der anderen. »An die erinner’ ich mich. Ich hab’ sie vor kurzem drüben an der Ecke getroffen, und sie hat mir’n Fünfer gegeben.«
    Terry unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Wieso interessiert sich ein Reporter für Billy? Der ist seit sechs Monaten tot.«
    »Das weiß ich selbst noch nicht«, sagte Deacon aufrichtig. »Vielleicht möchte ich nur beweisen, daß Billys Leben einen Wert hatte.« Er legte seine Hände um die Flasche. »Wer mir was Nützliches sagen kann, kriegt den Whisky.«
    Die alten Männer fixierten die Flasche; Terry fixierte Deacon. »Und was genau heißt nützlich?« fragte er ironisch. »Ich weiß, daß er aufs Leben geschissen hat. Ist das nützlich?«
    »Das hätte ich mir denken können, Terry. Nach dem, wie er gestorben ist. Nützlich ist alles, was ich nicht schon weiß oder was mich zu jemandem führt, der mir mehr über ihn sagen kann. Fangen wir mit seinem wahren Namen an. Wer war er, bevor er Billy Blake wurde?«
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Er hat Pflasterbilder gemalt«, sagte ein Alter. »Er hat seinen Platz unten bei den Vergnügungsdampfern gehabt.«
    »Das weiß ich. Amanda hat mir erzählt, daß er immer dasselbe Bild gemalt hat, die Geburt Christi. Weiß einer von euch, warum?«
    Wieder Kopfschütteln. Sie sahen aus wie Gestalten aus einem Krieg-der-Sterne -Film, dachte Deacon. Kleine verhutzelte Affenmenschen, in Mäntel vermummt, die ihnen zu groß waren, aber mit wachen Wieselaugen, die eine Schläue verrieten, die er niemals besitzen würde.
    »War so’ne Art Familienbild, das jeder gleich erkannt hat«, sagte Terry. »Er war nicht blöd, und er hat Geld gebraucht. Er hat ›Gesegnet seien die Armen‹ drunter geschrieben und sich daneben gelegt. Die meiste Zeit hat er so beschissen ausgesehen, daß die Leute gleich ein schlechtes Gewissen gekriegt haben, wenn sie das Bild und die Unterschrift gesehen haben. Er hat ganz gut gelebt davon, und er war nur aggressiv, wenn er richtig was getankt hatte und angefangen hat, zu wettern. Das hat die Leute abgeschreckt, und er ist dann immer blank nach Haus gekommen und mußte erst mal wieder nüchtern werden.«
    Die alten Männer rundherum grinsten bei der Erinnerung.
    »Er war’n guter Maler, wenn er nüchtern war«, sagte der Alte, der sich schon vorher zu Wort gemeldet hatte. »Sauschlecht, wenn er blau war.« Er kicherte leise, und das ledrige Gesicht unter der verfilzten Wollmütze krauste sich. »Nüchtern hat er den Himmel gemalt, besoffen die Hölle.«
    »Er hat zwei verschiedene Bilder gemalt?«
    »Hunderte hat er gemalt, solange er Papier hatte.« Der Alte wies mit dem Kopf zu den Bürobauten. »Abends hat er oft Berge alter Briefe aus den Mülltonnen gezogen und die ganze Nacht gemalt. Dann hat er das Zeug einfach liegengelassen.«
    »Was ist aus den Bildern geworden?«
    »Wir haben sie am nächsten Tag verbrannt.«
    »Und Billy hatte nichts dagegen?«
    »Nee«, sagte ein anderer. »Der wollt’s auch warm haben, genau wie wir. Der hat sogar noch gelacht dabei.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Der war total plemplem. Dauernd hat er vom Höllenfeuer gefaselt und daß alle Sünder durch die Teufelsflammen gereinigt werden müssen. Einmal hat er seine Hand mitten in einen Haufen brennendes Papier geschoben und so lang drin gelassen, bis wir sie rausgezogen haben.«
    »Warum hat er das getan?«
    Ein gleichgültiges Achselzucken pflanzte sich wie eine Welle im Kreis fort. Die Handlungen eines Verrückten haben keine Logik, schien der allgemeine Konsens zu sein.
    »Er hat das dauernd getan«, bemerkte Terry. »Manchmal hat er mit beiden Händen reingelangt, aber oft nur mit der rechten. Mich hat das immer wütend gemacht. An manchen Tagen konnte er seine Finger überhaupt nicht bewegen, weil er so schlimme Blasen hatte, aber seine verdammten Bilder hat er trotzdem gemalt. Er hat sich die Kreide einfach zwischen zwei Finger geklemmt und

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