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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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die ganze Hand bewegt beim Malen. Er hat immer gesagt, er müßte den Schmerz der Schöpfung spüren.«
    »Terry hat gemeint, er wäre schizo«, erklärte der ledergesichtige Alte in der Wollmütze. »Er hat ihm immer gesagt, er soll sich’ne Medizin verschreiben lassen, aber das hat Billy gar nicht interessiert. Er hat gesagt, mit seinem Kopf wäre alles in Ordnung und er würde zu keinem Arzt gehen. Für seine Krankheit wär’ der Tod das einzige Heilmittel.«
    »Hat er mal versucht, sich das Leben zu nehmen?«
    Terry lachte wieder und machte eine umfassende Handbewegung. »Wie würden Sie das hier nennen? Leben oder Sterben?«
    Deacon nahm die Bemerkung mit einem Nicken zur Kenntnis. »Ich meinte, ob er je einen Selbstmordversuch unternommen hat.«
    »Nein«, antwortete der Junge bestimmt. »Er hat immer gesagt, er hätte nicht genug gelitten und müßte langsam sterben.« Er kroch tiefer in seinen Mantel, als eine scharfe Bö über das Wasser fegte und aus dem brennenden Holz Funken in die Luft jagte. »Ich sag’ Ihnen was, Kumpel, der arme Hund hatte die galoppierende Schizophrenie, genau wie Walt hier.« Er puffte den vermummten Mann, der mit dem Kopf auf den Knien neben ihm hockte, ganz ähnlich wie Billy in seiner Ecke gehockt haben mußte, als Amanda Powell ihn gefunden hatte. »Walt kriegt Tabletten, aber die meiste Zeit vergißt er, sie zu nehmen. Von Rechts wegen müßte er im Krankenhaus sein, aber es gibt ja keine Krankenhäuser mehr. Eine Zeitlang hat er bei seiner Mutter gewohnt, als die Ärzte gesagt haben, er könnte draußen leben, aber er hat der armen Alten eine Heidenangst gemacht, und am Ende hat sie ihn vor die Tür gesetzt.« Er drehte den Kopf, um in die Lagerhalle hineinzusehen. »Da drinnen sind noch zwanzig von seiner Sorte. Wir Gesunden kümmern uns um sie, und das ist ein echt beschissener Witz, wenn Sie mich fragen.«
    Deacon stimmte ihm zu. Was war das für eine Gesellschaft, in der die Ausgestoßenen sich um die geistig Kranken kümmern mußten? »Hat Billy mal was davon gesagt, daß er im Krankenhaus war?«
    Terry schüttelte den Kopf. »Er hat fast nie von der Vergangenheit geredet.«
    »Okay. Und im Gefängnis? Wissen Sie, in welchem er gesessen hat?«
    Terry wies auf den ledergesichtigen alten Mann. »Tom und er haben mal einen Monat lang zusammen in Brixton gesessen.«
    »Wo war er untergebracht?« wandte Deacon sich an Tom. »In der Krankenabteilung oder in einer Zelle?«
    »In’ner Zelle. Genau wie ich.«
    »Hat er Medikamente bekommen?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Im Gefängnis haben sie also keine Schizophrenie festgestellt?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Die Wärter da haben doch gar nicht die Zeit oder die Lust, sich wegen eines Penners den Kopf zu zerbrechen, der vier Wochen absitzen muß. Solange braucht der ja schon zum Trockenwerden, und wenn er regelmäßig herumschreit, sagen die einfach, das ist das Delirium oder was ihnen sonst in den Kram paßt.«
    »Hat er sich so verrückt verhalten wie draußen?«
    Tom bewegte eine Hand hin und her. »Er ist immer so rauf und runter gegangen, hin und wieder war er total fertig, aber sonst war er okay. Ist brav zum Gottesdienst gegangen und hat sich gut geführt. Ich glaub’, den hat der Alkohol verrückt gemacht. Der ist nur ausgerastet, wenn er voll war. Nüchtern war der so klar wie Sie und ich.«
    Deacon reichte ein zweitesmal seine Zigaretten herum und klappte dann den Kragen seines Mantels gegen den Wind hoch, um sich selbst eine anzuzünden. »Und keiner von euch weiß, woher er kam oder wer er gewesen sein könnte oder warum er sich Billy Blake genannt hat?«
    »Wieso glauben Sie, daß das nicht sein richtiger Name war?« fragte Terry. Diesmal entschied er sich, seine Zigarette gleich zu rauchen, und zog ein brennendes Stück Holz aus dem Feuer, um sie anzuzünden.
    Deacon zuckte die Achseln. »Es ist nur eine Vermutung.« Er zog kräftig an seiner Zigarette, um sie am Brennen zu halten. »Wie hat er gesprochen? Hatte er einen Akzent?«
    »Nicht daß man’s gemerkt hätte. Ich hab’ ihn mal gefragt, ob er früher Schauspieler war, weil er ganz schön hochtrabend geredet hat, wenn er ausgerastet ist. Aber er hat nein gesagt.«
    »Was hat er denn getan, wenn er ausgerastet ist?«
    »Ach, da hat er alles rausgebrüllt, was ihm gerade in den Kopf gekommen ist. Manchmal hat sich’s gereimt, aber ich weiß nicht, ob er sich die Verse selbst ausgedacht hat oder ob sie von jemand anderem waren. An manches kann ich

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