Das Echo
ermöglichte, die verwahrlosten Alten, mit denen er zusammenlebte, zu beherrschen, war Terry doch noch ein grüner Junge mit flaumigem Kinn, der zu schnell wuchs. Seine großen knochigen Hände hingen ihm wie Bootspaddel aus den Ärmeln, und es würde noch eine Weile dauern, ehe männliche Reife seine Brust und Schultern kräftigte. Gerade das aber reizte Deacons Neugier über den Prediger - und Lehrer? -, der Terry zu seinem Freund gemacht hatte, um so mehr.
»Wie lange haben Sie Billy gekannt?« fragte er.
»Zwei Jahre.«
Also seit er in der Lagerhalle hauste. »War sein Schlafplatz auch so gut wie der hier?«
Terry schüttelte den Kopf. »Der wollte leiden. Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt, das war ein echter Irrer. Letztes Jahr um diese Zeit hab’ ich ihn splitternackt hier rumgeistern sehen. Sie können sich nicht vorstellen, wie kalt es war. Er war von oben bis unten blau angelaufen. Ich hab’ gesagt, was machst du da für’n Scheiß, du blöder Kerl, und er hat gesagt, er kasteit das Fleisch...« - er hielt inne, unsicher, ob er das richtige Wort gebraucht hatte -, »oder so was Ähnliches. Er hat sich nie ein Lager gebaut. Er hat sich immer nur in eine alte Decke eingewickelt und am Feuer gepennt. Er hat nichts gehabt, wissen Sie, und er wollte auch nichts haben, er fand’s sinnlos, sich’s irgendwie gemütlich zu machen. Er hat gewußt, daß die Götter ihn am Ende doch kriegen würden, und er wollt’s den verdammten Mistkerlen so leicht wie möglich machen.«
»Weil er ein Mörder war?«
»Kann sein.«
»Hat er gesagt, wen er getötet hat? Ob Mann oder Frau?«
Terry verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. »Ich weiß nicht mehr.«
»Warum hat er es Ihnen erzählt und nicht den anderen?«
»Woher wissen Sie, daß er’s denen nicht erzählt hat?«
»Ich habe ihre Gesichter beobachtet.«
»Die sind die meiste Zeit so besoffen, daß sie sich an nichts erinnern.« Terry schloß die Augen. »Für einen Zehner kommt’s vielleicht wieder.«
Deacons prustendes Gelächter fächelte die Ecke eines der Poster auf. »Ich bin nicht von gestern, Sie Goldstück.« Er nahm eine Karte aus seiner Brieftasche und schnippte sie Terry auf die Brust. »Rufen Sie mich an, wenn Sie mir was zu bieten haben, was ich überprüfen kann, aber kommen Sie mir nicht mit irgendwelchem Quatsch. Die Informationen müssen Hand und Fuß haben, wenn Sie Geld dafür wollen.« Er stand auf und blickte in das junge Gesicht hinunter. »Wie alt sind Sie wirklich, Terry?« Er schätzte ihn auf sechzehn.
»Auf jeden Fall alt genug, um einen Knicker zu erkennen.«
Bei der Rückkehr in sein Büro fand Deacon auf seinem Schreibtisch einen Zettel von Barry Grover und dazu die Originalfotos von Billy Blake in einer Klarsichthülle. »Ich kann diesen Mann in meinen Unterlagen nicht finden«, hatte er geschrieben, »aber ich habe die Negative und die neuen Abzüge an Paul Garrety weitergegeben. Er will sehen, was er auf dem Computer damit anfangen kann. B. G.«
Paul Garrety, Leiter der Grafik, schüttelte den Kopf, als Deacon zu ihm kam und fragte, wie er mit Billy Blakes Fotos vorankäme. JP hatte sich überreden lassen, massiv in die EDV für die Grafikabteilung zu investieren, nachdem man ihm versichert hatte, daß die moderne Technologie für Image und Design des Street - und somit höhere Auflagenzahlen - das leisten könne, was ein Heer von Grafikern vorher nicht geschafft hatte. Aber JP hing zu sehr am althergebrachten Bild der Zeitschrift, um Paul mit den Apparaten freie Hand zu lassen, und Garrety lag ebenso wie Deacon in fast ständigem Kampf mit seinem Chef.
»Da brauchen Sie einen Fachmann, Mike«, sagte er jetzt. »Ich kann Ihnen hundert verschiedene Versionen des Mannes erstellen, aber nur jemand, der was von Physiognomie versteht, kann Ihnen sagen, welche der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt.« Er wies auf seinen Bildschirm. »Schauen Sie hin. Man kann das Gesicht voller machen, das heißt, man polstert das Ganze einfach aus. Man kann nur die Wangen voller machen, indem man lediglich die untere Gesichtshälfte auspolstert. Man kann ihm ein Doppelkinn verpassen, die Augenpartie aufschwemmen, das Haar voller machen. Es gibt unbegrenzte Möglichkeiten, und jede sieht anders aus.«
Deacon beobachtete, wie die verschiedenen Gesichter eins nach dem anderen auf dem Bildschirm erschienen. »Ich verstehe, was Sie meinen.«
»Es ist eine Wissenschaft. Am besten wäre es, Sie suchen sich einen Pathologen oder einen
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