Das Echo
und hab’ ihn in mein Zelt geschleppt und gefesselt, eh’ die andern ihn umbringen konnten. Und da hat er dann so richtig losgelegt.«
Terry nahm sich noch eine Zigarette. Seine Hand zitterte leicht, als er sie anzündete. »Sogar Sie hätten gesagt, daß er ein Irrer ist, wenn Sie ihn an dem Tag gesehen hätten. Bei dem waren sämtliche Sicherungen durchgebrannt, er hatte gezittert und geschrien.« Der Junge zog ein schiefes Gesicht. »Verstehen Sie, wenn der einmal angefangen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Dann hat er immer weitergemacht, bis er so schlapp war, daß er aufgeben mußte. Aber diesmal hat er nicht aufgegeben. Er hat mich angespuckt und gesagt, ich wär’ das Letzte, und als ich nicht drauf gehört hab’, hat er angefangen zu schreien, ich wär”n Stricher, und jeder, der was von mir wollte, bräuchte nur ins Zelt reinkommen und sich’s holen.« Er sog nervös an seiner Zigarette. »Ich wollt’ ihn umbringen! Da hab’ ich ihn am Hals gepackt und zugedrückt.«
»Und was hat dich davon abgehalten, ihn zu töten?«
»Gar nichts. Ich hab’ gedrückt, bis ich dachte, er wär’ tot.« Er verfiel in ein langes Schweigen, das Deacon nicht störte. »Dann hab’ ich auf einmal Angst gekriegt und nicht gewußt, was ich tun soll. Da hab’ ich ihm die Fesseln runtergemacht und hab’ ihn ein bißchen rumgeschubst, weil ich sehen wollte, ob er wirklich tot ist, und plötzlich hat er die Augen aufgemacht und mir ins Gesicht gelächelt. Und da hat er mir dann von dem Kerl erzählt, den er umgebracht hat, und gesagt, daß die Menschen in ihrer Wut Sachen machen, die ihr Leben zerstören können. Danach hat er gesagt, er wollte den Göttern zeigen, daß es seine Schuld wäre und nicht meine, und ist rausgegangen und hat die Hand ins Feuer gehalten.«
Deacon wünschte, es wäre eine Frau gewesen, die sich Terrys Story angehört und ihn in den Arm genommen und getröstet hätte, die ihm gesagt hätte, daß jetzt alles gut wäre. Ihm selbst war diese natürliche Reaktion verwehrt. Er konnte nur seinen Blick von den Tränen abwenden, die in den Augen des Jungen glänzten, und prosaisch darüber sprechen, wie denn nun Terrys Kleider ohne Trockner über Nacht am besten trocknen würden.
Reg Linden brachte Barry den Tee und stellte den Becher auf den Schreibtisch neben das Buch, das seine Frau gekauft hatte. Es lag aufgeschlagen, mit dem Einband nach oben, und er wies auf ein Zitat auf der Rückseite. »Äußerst lesenswert. Charles Lamb, The Street. «
»Meine Frau geht immer gern nach Empfehlungen«, bemerkte er, »aber die hier finde ich doch erstaunlich kurz für Mr. Lamb. Der kriegt sich doch sonst oft gar nicht mehr ein, wenn ihm ein Buch gefällt. Wär’s möglich, daß die Worte ›äußerst lesenswert‹ das einzig Positive in der Besprechung sind, und der Verlag hier kreativ gestrafft hat?«
Ein Grund, weshalb Reg Linden Barry mochte, war, daß dieser ihm gestattete, seine faden Witzchen an den Mann zu bringen. Auch jetzt lachte Barry pflichtschuldig, als er das Buch zur Hand nahm und nach vorn blätterte. »Erstmals veröffentlicht 1994, die Besprechung wird also im letzten Jahr erschienen sein. Ich such’ sie Ihnen raus«, versprach er. »Als kleines Dankeschön für das Buch und den Tee.«
»Sie könnte interessant sein«, prophezeite Reg.
…Ein ähnlich buntes Allerlei bietet Roger Hydes Buch Ungelöste Kriminalfälle des zwanzigsten Jahrhunderts . Obwohl es äußerst lesenswert ist, enttäuscht es dennoch, da es, wie schon der Titel andeutet, allzu viele Fragen aufwirft und unbeantwortet läßt und nicht berücksichtigt, daß andere Autoren sich bereits bemüht haben, zur Klärung einiger dieser »ungelösten« Kriminalfälle beizutragen. Da sind zum Beispiel die berüchtigten Digby-Morde aus dem Jahr 1933, als Gilbert und Fanny Digby und ihre drei kleinen Kinder eines Morgens im April tot in ihren Betten aufgefunden wurden, alle mit Arsen vergiftet, ohne daß es einen Anhaltspunkt dafür gegeben hätte, von wem oder warum sie ermordet worden waren. Hyde schildert den Hintergrund des Falls detailgenau - die Geschichten Gilberts und Fannys, die Personen, die, soweit bekannt, in den Tagen vor den Morden in dem Haus ein und aus gegangen sind, den Tatort selbst -, aber er erwähnt mit keinem Wort M. G. Dunners Buch Sweet Fanny Digby (1963), in dem dargestellt wird, daß Fanny Digby, die an Depressionen litt, am Tag zuvor dabei beobachtet wurde, wie sie Fliegenpapier in einer
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