Das Echo
Wochen nach Dribergs Verhaftung wartete, um auszukundschaften, was dieser vorhatte.
Der Fall Fenton bekommt ein ganz anderes Gesicht, wenn man die Vermutung, daß Fenton ein Verräter war, einmal beiseite läßt. Die Frage, die man stellen muß, lautet dann: Was waren das für Treuebrüche, von denen Verity in ihrem Abschiedsbrief sprach? Sie hatte geschrieben: »Verzeih mir, ich kann es nicht länger ertragen, Darling. Bitte mach Dir keine Vorwürfe. Deine Treuebrüche sind nichts im Vergleich zu meinen.«
Weshalb aber hat man es so beharrlich unterlassen, sich mit Veritys Treuebrüchen zu befassen? Ganz einfach, als Ehefrau war sie von Anfang an weniger interessant als ihr Mann, der Diplomat. Hätte denn eine »neurotische« Frau einen Verrat begehen können, der es mit dem Verrat von Staatsgeheimnissen hätte aufnehmen können? Dennoch hätten die von ihr angesprochenen Treuebrüche schon 1988 unbedingt untersucht werden müssen, da sie doch behauptete, sie wären schwerwiegender gewesen als die ihres Mannes, der immerhin als Spion gebrandmarkt wurde.
Verity, geborene Parnell, wurde am 28. September 1937 in London geboren und von ihrer Mutter allein aufgezogen, nachdem ihr Vater, Colonel Parnell, 1940 bei Dünkirchen gefallen war. Man vermutet, daß sie die Kriegsjahre mit ihrer Mutter zusammen in Suffolk verbrachte, jedoch 1945 nach London zurückkehrte. Dort kam sie in eine Privatschule, ehe sie im Mai 1950 an die Mary-Bartholomew-Mädchenschule in Barnes überwechselte. Obwohl sie das Zeug zu einem Universitätsstudium besessen hätte, heiratete sie im August 1955 Geoffrey Standish, einen gutaussehenden Börsenmakler, der vierzehn Jahre älter war als sie. Die Heirat rief eine tiefe Entfremdung zwischen ihr und ihrer Mutter hervor, und es ist unklar, ob sie ihre Mutter noch einmal wiedergesehen hat, bevor diese Ende der fünfziger Jahre starb. Verity brachte 1960 eine Tochter, Marilyn, und 1966 einen Sohn, Anthony, zur Welt.
Die Ehe war ein Desaster. Geoffrey Standish wurde selbst von engen Freunden als »unberechenbar« beschrieben. Er war ein Spieler, ein Trinker und ein Schürzenjäger. Denen, die ihn kannten, wurde bald klar, daß er seine Frustrationen an seiner jungen Frau abreagierte. Die Geschichte dieser Ehe ist gekennzeichnet von »Unfällen« und Tagen des Unwohlseins, von Veritys ständiger Angst, etwas zu tun, was ihren Mann verärgern könnte, und von ihrer nahezu krankhaften Sorge um ihre Kinder. Unter diesen Umständen überrascht es nicht, daß Verity einer ihrer Nachbarinnen zufolge den Tod ihres Mannes im März 1971 als »Erlösung« bezeichnete.
So mysteriös wie vieles an dieser Geschichte sind auch die Umstände von Geoffrey Standishs Tod. Die einzigen verifizierbaren Fakten sind folgende: Er hatte mit Freunden in Huntingdon verabredet, das Wochenende bei ihnen zu verbringen; am Freitag abend um 17 Uhr rief er sie an, um mitzuteilen, daß er erst am folgenden Tag kommen würde; am Samstag morgen um 6 Uhr 30 fiel einer Polizeistreife sein Wagen auf, der verlassen und mit leerem Tank an der A 11 in der Nähe von Newmarket stand; um 10 Uhr 30 wurde Standish in einem Graben etwa drei Kilometer entfernt tot aufgefunden; aus den Verletzungen, die er erlitten hatte, ging eindeutig hervor, daß er überfahren worden war.
Allem Anschein nach handelte es sich um einen simplen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht. Geoffrey Standish war auf der Suche nach einer Tankstelle in der Dunkelheit überfahren worden. Doch die Tatsache, daß er seine ursprünglichen Pläne so kurzfristig geändert hatte, veranlaßte die Polizei nachzuforschen, warum er sich in der Gegend von Newmarket aufhielt. Diese Bemühungen brachten keinen Erfolg, jedoch machten die Beamten im Verlauf der Ermittlungen mit den unerquicklichen Details der Persönlichkeit und des Lebenswandels dieses Mannes Bekanntschaft. Obwohl der Nachweis nie gelang, geht aus den Berichten klar hervor, daß die Polizei von Cambridgeshire der Überzeugung war, Geoffrey Standish sei ermordet worden.
Verity selbst hatte ein unwiderlegbares Alibi. Sie wurde am Mittwoch vor dem Tod ihres Mannes mit gebrochenem Schlüsselbein, Rippenbrüchen und perforierter Lunge in das St.-Thomas-Krankenhaus eingeliefert und ist erst am Sonntag wieder entlassen worden. Ihre Kinder wurden von einer Nachbarin betreut, wo Geoffrey Standish sich am Freitag aufhielt, ist ungewiß. Er erschien an diesem Tag jedenfalls nicht an seinem Arbeitsplatz, und dies veranlaßte die Polizei
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