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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sich Deacons Block und Stift heran und begann sorgfältig, die Buchstaben quer über das Blatt zu zeichnen.
    Gesegnet sind die Armen.
    »Wenn du das kannst«, meinte Deacon sachlich, »dann kannst du in zwei Tagen lesen lernen.« Er ergriff einen der Briefe und breitete ihn vorsichtig vor sich auf dem Tisch aus.
    Cadogan Square, 4. April
     
    Liebster,
danke Dir für Deinen schönen Brief, aber ich
wollte, Du könntest das Hier und Jetzt genießen
und die Zukunft vergessen. Natürlich fühle ich
mich geschmeichelt, daß Du die ganze Welt wissen
lassen willst, daß Du mich liebst, aber ist das,
was wir haben, nicht um so köstlicher, weil es
ein Geheimnis ist. Du schreibst, Dein Spiegel
soll Dich nicht für alt erklären, solange die
Jugend sich von mir nicht wendet, aber Shakespeare
hat seine Geliebte nie genannt, Liebster,
weil er wußte, wie grausam die Welt sein kann.
Willst Du mich als berechnende Person angeprangert
sehen, die es darauf angelegt hat, jeden
Mann zu verführen, der ihr Sicherheit bieten
konnte? Genau das nämlich wird geschehen, wenn
Du Dich unbedingt öffentlich zu mir bekennen
möchtest. Ich liebe Dich von ganzem Herzen, aber
es wird mir das Herz brechen, wenn Du wegen des
Geredes der Leute aufhörst, mich zu lieben.
Bitte, bitte, lassen wir doch alles so, wie es
ist. In Liebe, Deine V.
    Deacon entfaltete das zweite Schreiben und legte es neben das erste. Es war von derselben Hand geschrieben.
    Paris
Freitag
     
    Liebster,
bitte halte mich nicht für verrückt, aber ich
habe solche Angst davor zu sterben. Manchmal
habe ich Alpträume, in denen ich in schwarzen
Welten treibe, wo keines Menschen Liebe mich erreichen
kann. Was meinst Du, ist so die Hölle?
Auf ewig zu wissen, daß es die Liebe gibt, und
auf ewig dazu verdammt sein, ohne sie zu existieren?
Wenn es so ist, wird das meine Strafe
für das Glück sein, das ich mit Dir erlebe.
Immer wieder peinigt mich der Gedanke, daß es
nicht recht ist, daß ein Mensch einen anderen so
sehr liebt, daß er die Trennung von ihm nicht
ertragen kann. Bitte, bitte bleib nicht länger
fort als unbedingt nötig. Das Leben ist kein
Leben ohne Dich. V.
    »Hat Billy sie dir vorgelesen, Terry?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Es sind Liebesbriefe. Sogar sehr schöne Liebesbriefe. Möchtest du sie hören?« Er legte Terrys Achselzucken als Bejahung aus und las ihm die Briefe vor. Als er fertig war, wartete er auf eine Reaktion, aber er bekam keine. »Hat er je von jemandem gesprochen, dessen Name mit einem ›V.‹ anfängt?« fragte er dann. »Sie scheint wesentlich jünger gewesen zu sein als er.«
    Terry antwortete nicht gleich. »Ganz egal, wer sie ist, ich wette, sie ist tot«, sagte er. »Billy hat mal zu mir gesagt, die Hölle wäre, ewig allein gelassen zu werden und nichts dagegen tun zu können, und dann hat er angefangen zu heulen. Er hat gesagt, er müßte immer weinen, wenn er daran denkt, daß jemand so einsam ist, aber ich glaub’, in Wirklichkeit hat er wegen dieser Frau geweint. Das ist ziemlich traurig, nicht?«
    »Ja«, sagte Deacon langsam, »aber ich würde gern wissen, wieso er glaubte, sie sei in der Hölle.« Er las die Briefe noch einmal durch, fand aber nichts, was Billys Gewißheit über Vs Schicksal erklärt hätte.
    »Er hat geglaubt, daß er selbst in die Hölle kommt. Irgendwie, auf so’ne ganz komische Weise, hat er sich direkt drauf gefreut. Er hat gesagt, er hätte jede Strafe, die die Götter ihm aufbrummen könnten, verdient.«
    »Weil er ein Mörder war?«
    »Wahrscheinlich. Andauernd hat er davon geredet, daß das Leben ein heiliges Geschenk ist. Das hat Tom jedesmal auf die Palme gebracht. ›Wenn’s so verdammt heilig ist‹, hat er dann gesagt, ›wieso leben wir dann in dieser Hölle von einem Scheißhaus?‹ Und Billy hat gesagt« - er bemühte sich jetzt um eine kultiviertere Ausdrucksweise - »›ihr seid aus eigener Entscheidung hier, denn zu dem Geschenk gehört auch der freie Wille. Entscheide dich jetzt, ob du den Zorn der Götter auf deinem Haupt sammeln möchtest. Wenn die Antwort nein lautet, dann wähle einen weiseren Weg.‹«
    Deacon lachte leise. »Hat er das tatsächlich so gesagt?«
    »Klar. Manchmal hab’ ich’s für ihn gesagt, wenn er zu blau war, um es selbst zu sagen.« Er ahmte wieder Billys Sprechweise nach. »›Ihr seid aus eigener Entscheidung hier, denn zu dem Geschenk gehört auch der freie Wille.‹ Bla-bla-bla. Manchmal war er schon ein bißchen bescheuert, hat überhaupt nicht

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