Das Echo
Gebote?«
»Und wohin gehört ›der in Wolken herabsteigt‹?«
»Ich denke, das ist seine symbolische Auffassung von der Erlösung. Er spricht von ›vergeblichem‹ Warten, er glaubt also offensichtlich nicht daran - jedenfalls nicht für sich selbst -, aber wenn sie erfolgt, dann in Gestalt eines Deus ex machina, einer plötzlichen atemberaubenden Erscheinung, die in den Abgrund der Hölle hinuntergreift und ihn heraufhebt.«
»Der arme Kerl«, sagte Deacon voller Mitleid. »Es würde mich interessieren, was für ein Mord das war, daß er glaubte, deshalb ewig auf die Erlösung warten zu müssen.« Er fröstelte plötzlich und bemerkte, daß Terry sich die Hände rieb, um sie warm zu halten. »Los, kommt, es ist ja eiskalt hier drinnen. Gehen wir einen trinken.«
Barry beobachtete Terry, der mit Geld, das Deacon ihm gegeben hatte, an den Automaten spielte. »Er ist ein netter Junge«, bemerkte er.
Deacon zündete sich eine Zigarette an und sah zu Terry hinüber. »Er lebt seit seinem zwölften Lebensjahr auf der Straße. Es sieht so aus, als ob er es Billy zu verdanken hat, daß er nicht völlig verdorben ist.«
»Was wird aus ihm, wenn Weihnachten vorbei ist?«
»Das weiß ich nicht. Er braucht dringend ein bißchen Schulbildung, aber ins Heim geht er sicher nicht zurück. Ich denke, das ist eine von diesen Entscheidungen, die man nur auf sich zukommen lassen kann.« Er richtete seinen Blick wieder auf Barry. »War er beim Durchsehen der Fotos eine Hilfe?«
»Er war ein bißchen schnell bei der Hand mit denen, die für ihn nicht in Frage kamen, aber er scheint sich nicht daran gewöhnen zu können, daß Billy soviel jünger war, als er aussah. Ein oder zwei Bilder mußte ich vor ihm retten.« Er nahm einen Umschlag heraus, der verschiedene Fotos enthielt. Er breitete sie auf dem Tisch aus. »Was halten Sie von denen?«
Deacon nahm die Kopie eines blonden jungen Mannes in die Hand, der direkt in die Kamera blickte. »Den kenne ich. Wer ist das?«
Barry gluckste vergnügt. »Das ist James Streeter, vor zwanzig Jahren aufgenommen, als er an der Universität Durham fertig war. Er ist ja in Manchester aufgewachsen, da habe ich mich interessehalber an die dortigen Zeitungen gewandt, und eine von ihnen hat mir das Foto geschickt. Es ist außergewöhnlich, nicht wahr?«
»Er gleicht Billy wie ein Ei dem anderen.«
»Nur weil er dünner war und anscheinend sein Haar hatte bleichen lassen.«
Deacon nahm sein Foto von Billy heraus und legte es neben das des jungen James Streeter. »Haben Sie diese beiden auf dem Computer verglichen?«
»Ja, aber es sind zwei verschiedene Männer, Mike. Die scheinbar große Übereinstimmung kommt nur deshalb zustande, weil die Einstellung etwa die gleiche ist, aber die Unterschiede sind immer noch offensichtlich. Vor allem bei den Ohren.« Er nahm eine Zigarettenpackung und legte sie so über die untere Gesichtshälfte Billys, daß ihre obere Kante mit einem Ohrläppchen abschloß. »Billys Ohrläppchen sind größer als die von James, und ihr unterer Rand ist etwa auf gleicher Höhe mit seinem Mund.« Er schob die Schachtel auf das andere Foto und legte sie genauso. »James hat fast kein Ohrläppchen, und der untere Rand ist auf einer Linie mit seinen Nasenlöchern. Wenn man Augen, Nase und Mund auf dem Computer synchronisiert, verschieben sich sofort die Ohren, und wenn man den Winkel verändert, um die Ohrläppchen zu synchronisieren, verschiebt sich alles andere.«
»Sie sind auf dem Gebiet ziemlich gut, was?«
Barrys runde Wangen röteten sich vor Freude. »Es macht mir Spaß.« Er schob die anderen Aufnahmen näher und entfernte dabei geschickt ein Profilfoto von Peter Fenton. »Erkennen Sie noch jemanden?«
Deacon schüttelte den Kopf. Er warf einen letzten Blick auf James Streeter, dann schob er die Fotografien zur Seite. »Es ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen«, sagte er mutlos. »Ich fange sowieso langsam an zu glauben, daß Billy nur ein Nebenschauplatz ist.«
»Inwiefern?«
»Kommt darauf an, was Amanda Powell sich dabei dachte, als sie mir von ihm erzählte. Sie muß doch gewußt haben, daß ich auf James kommen würde, wessen Geschichte soll ich also nachgehen? Billys oder James’?« Er zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Und wo paßt Nigel de Vriess ins Bild? Weshalb sollte er einem Fremden Amandas Adresse gegeben haben?«
»Vielleicht mag er sie nicht«, meinte Barry und gab damit seiner eigenen Voreingenommenheit nach.
»Er hat sie
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