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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Wintergartens, standen Himmler, Bormann, Burgdorf, Fege- lein, Hewel, Lorenz, Hitlers Ärzte Theo Morell und Ludwig Stumpfegger, Schaub, Albert Bormann, Albrecht, Willi Johannmeier, Nikolaus von Below und Günsche. Heinrich Himmler ging auf Hitler zu und gratulierte ihm. Hitler reichte ihm zwar die Hand, doch ich sah, daß dieser Händedruck betonte Achtlosigkeit ausdrückte. Nachdem Hitler, müde, gebeugt, grau im Gesicht und kraftlos, schleppend die «Front» abgeschritten und die Wünsche der Gratulanten entgegengenommen hatte, gruppierten sich die Männer im Halbkreis um ihn, um zu hören, was er ihnen sagen würde. Was sie aus seinem Munde vernahmen, konnte sie infolge der erdrückenden Lage jedoch nicht von der Überzeugung «befreien», daß die totale Niederlage unmittelbar bevorstünde, auch wenn Hitler immer noch einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken versuchte.
    Da für 16 Uhr die tägliche Besprechung angesetzt war, schlossen Himmler, Bormann, Burgdorf, Fegelein und die Adjutanten sich dem Führer an, als er wieder in den Bunker zurückkehrte, den er nie mehr verließ. Dann kamen Göring, Ribbentrop, Dönitz, Keitel und Jodl, die ich jeweils einzeln anmeldete und zu Hitler begleitete, um zu gratulieren. Keiner von ihnen sprach vom katastrophalen Ende. Jeder versicherte Hitler nur seine Treue bis zum Tode. Nach dieser Prozedur, die Hitlers Stimmung keineswegs positiv stimuliert hatte, dankte Hitler den Anwesenden im Vorraum für ihre Glückwünsche und Gelöbnisse und fragte den Generalstabschef Hans Krebs, wie sich die Lage an der Oder entwickelt habe.
    *
    Der US-Soldat Donald J. Wilis *1919
bei Dessau
    Einige gute Nachrichten für alle Soldaten. Unsere Post hat endlich zu uns aufgeschlossen. Das ist immer ein eindeutiges Zeichen dafür, daß unser Sektor sicherer wird. Bekam einige Briefe, einer von Mom war auch dabei. War froh, etwas von zu Hause zu hören.
    Jeder sagt, daß der Krieg fast vorüber ist. Ich weiß nicht. Es geht mir zu schnell, als daß ich es glauben kann. Andererseits ist es hier das Hauptgesprächsthema. Jetzt will niemand mehr unnötige Risiken eingehen.
    Der britische Soldat Edwin Chapman
Nordwestdeutschland
    An seine Eltern
    Liebe M & lieber V.
    Vielen Dank für noch mehr Zeitungen.
    Hier gibt es nicht viel zu berichten. Das Wetter ist jetzt großartig. Es gibt noch immer keine Bäder (Ich hatte jetzt fünfzehn Tage keins). Ich weiß nicht, ob das Regiment etwas dafür tun kann: Es gibt eben keine im Bezirk, & kontinentale Häuser sind gewöhnlich nicht mit Bädern ausgestattet.
    Von den Leuten hier bekommen wir viele Eier. Zehn gab man mir gestern. Morgen spielt das Regiment wieder Fußball gegen das örtliche Team. Schokolade zu schicken, lohnt sich nicht. Wir bekommen eine Menge, vielen Dank.
    Bitte vergeßt nicht, daß ich mich über einige Umschläge freuen würde, groß genug, um Postkarten hineinzustecken.
    Immer Euer Edwin.
    Der britische Sergeant
Norman Kirby *1913
Nordwestdeutschland
    Wir trafen hier auf ein Problem, das es nur allzu häufig gibt: deutsche Deserteure und Möchtegern-Kriegsgefangene. Anstatt ruhig nach Hause zu gehen, bestanden sie darauf, sich zu ergeben. Vielleicht waren die alliierten Rationen der Grund, oder sie wollten ihren hungernden Familien nicht zur Last fallen. Wir mußten zusätzlich zu unseren dienstlichen Pflichten mit dieser steigenden Zahl zurechtkommen. Es schien, als ob Stacheldraht eine merkwürdige Anziehung auf deutsche Soldaten ausübte. Sie waren durch die ungewohnte Befreiung von militärischer Disziplin und durch den Verlust der Sicherheit, die ihnen Jahre des Kasernendienstes und Lagerlebens gegeben hatten, orientierungslos geworden.
    Zwei Soldaten der Wehrmacht in Zivilkleidern warteten drei Stundenlang, um uns unterstellt zu werden, beharrlich wie Londoner, die vor dem Kino Schlange stehen, um «Vom Winde verweht» zu sehen. Während der Nacht kam ein junger Luftwaffenangehöriger in Uniform und erzählte uns, er sei auf Urlaub gewesen, um sein Kind zu sehen, das gestorben war. Während dieser Zeit hätten die Alliierten sein Dorf überrollt, und jetzt sei er bereit, sich zu ergeben. Er hatte eine offene Wunde am Bein und trug einen weichen Pantoffel an einem Fuß. Wir befahlen ihm, die Nacht zu Hause zu verbringen, wir würden ihn dann am Morgen in der Wohnung abholen.
    Der britische Captain
Maurice F. Jupp
(Nordwestdeutschland)
    Es ist interessant, gerade jetzt in Deutschland zu sein. Das Wohnungsproblem ist schrecklich.

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