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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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mit der er feststellt: Du freust dich ja gar nicht!
    Es ist wahr, ich freue mich nicht. Jedenfalls nicht in diesem vordergründigen, fast ein wenig einfältigen Sinn, in dem es meine johlenden, aufgeregt gestikulierenden Gefährten tun. Mir ist sofort klar, daß für die meisten jetzt ein sehr mühseliger Weg ins Leben zurück beginnen wird, langwierige Formalitäten, bis wir wirklich als freie Menschen uns draußen bewegen können, die Suche nach den Familien, die Frage, wo künftig meine Heimat sein wird.
    Da ist die jäh aufsteigende Bitterkeit, daß es Fremde sein müssen, die uns das kostbare Gut der Freiheit wiedergeben, das die eigenen Volksgenossen uns geraubt haben; und da ist auch – ganz anderer Klang – irgendwo ein ganz leises Verwundern (oder muß ich es gar Bedauern nennen?),
    daß nun plötzlich und unwiderruflich die Zeit der Prüfung vorbei ist – hat sie geleistet, was sie an Reinigung, Läuterung, neuer Kraft schenken sollte?
    *
    Der Reichsstatthalter
Franz Ritter von Epp 1868–1946
Bayern
    Als die militärische Lage sich in den ersten Monaten des Jahres 1945 weiter verschlechterte und auch Bayern und München bedroht schienen, habe ich natürlich mit meinen Mitarbeitern, insbesondere Major Carraciola und auch mit dem damaligen stellvertretenden Kommandierenden General des VII. Armeekorps, General Kriebel, die Lage besprochen. Kriebel erklärte mir, zu einer Verteidigung Münchens brauche er mindestens 2 Divisionen. Ich wußte, daß er diese Divisionen jedenfalls in seinem Korpsbereich nicht zur Verfügung hatte, daß im Gegenteil einige noch kampfkräftige Ersatzformationen in den letzten Wochen abgezogen und in die Front in Württemberg geworfen waren. Von der Front selbst trafen nur spärliche Nachrichten ein, sie gaben kein Bild über die Anzahl und Kampfstärke der noch kämpfenden Verbände und insbesondere nicht über die Befehlsverhältnisse. Kriebel hatte mir gesagt, er werde sich mit seinen ihm verbleibenden Kräften auf eine Gebirgsstellung am Nordrand der Alpen in die Gegend von Garmisch zurückziehen. Ich hatte deshalb, da ich aus den schon genannten Gründen in seiner Nähe bleiben mußte, in Partenkirchen auch ein Quartier für meine Dienststelle vorbereiten lassen. Kriebel, mit dem ich sehr gut zusammengearbeitet hatte, wurde etwa am 20.4. 1945 abgelöst. Ich habe später von Kriebels Nachfolger, Greiner, gehört, daß Meinungsverschiedenheiten mit dem Gauleiter Giesler über die Fragen der Kriegsführung entstanden seien, deretwegen Giesler durch den SS-General Fegelein im Großen Hauptquartier die Abberufung Kriebels Knall und Fall durchgesetzt habe.
    Heinrich Prinz von Hessen *1927
Kronberg/ Taunus
    Vom 2. April an war der Gesundheitszustand meiner Großmutter [eine Schwester Kaiser Wilhelms II.] immer schlechter geworden; nun bekam sie auch noch eine beidseitige Lungenentzündung.
    Am 19. April um vier Uhr nachmittags klopfte es an die Tür des Cottage. Ein Sergeant und mehrere Soldaten lassen uns wissen, daß wir bis sechs Uhr aus dem Haus zu verschwinden hätten.
    Wir müßten den gesamten Besitz räumen. Lediglich Kleider, Bettwäsche und Lebensmittel dürften wir mitnehmen, nichts sonst. Mit knappen Worten erklären sie uns, sie seien nicht in der Lage, Zugeständnisse zu machen, sie führten nur Befehle aus.
    An allen Türen, im Cottage genauso wie im Schloß, kontrollieren Soldaten jeden Koffer. Wenn sie etwas finden, was nicht auf ihrer Liste steht, nehmen sie es heraus und werfen es ins Haus zurück. Als mein kleiner Koffer an der Reihe ist, beschlagnahmt der Soldat meine persönlichen Papiere und meine Brieftasche. Er packt auch mein Tagebuch, aber ich flehe ihn an, es in mein Zimmer zurückbringen zu dürfen. Das wird mir gestattet; kaum bin ich im Zimmer, reiße ich die beschriebenen Blätter aus dem Heft und verstecke sie in einem alten Mantel meines Vaters, der glücklicherweise der Durchsuchung entgeht.
    Walter Dirks 1901 –1991
Frankfurt am Main
    Am 21. April wurde ich von den Amerikanern zum Personalreferenten beim Landesarbeitsamt Hessen eingesetzt. Der kommissarische Leiter des Amtes und ich waren also schon zweieinhalb Wochen vor dem Tag der Kapitulation sozusagen mit aufgekrempelten Ärmeln dabei, am Neuaufbau mitzuwirken. Wir hatten die durch geflüchtete Nazis kopflos gewordenen Arbeitsämter des Landes mit zuverlässigen Demokraten zu besetzen: Sozialdemokraten, Zentrumsleuten, Gewerkschaftlern.
    *
    Der Kammerdiener
Heinz Linge

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