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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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zu Abend. Ganz entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit bestellte Himmler plötzlich eine Flasche Sekt, um damit Punkt zwölf Uhr auf Hitlers Geburtstag anzustoßen.
    Dr. Felix Kersten 1898–1960
Gut Hartzwalde
    Um 9 Uhr morgens machte ich Schellenberg mit Masur bekannt, Ma- sur hatte dabei Gelegenheit, seine Wünsche vorzutragen. Ich erhielt von Schellenberg die feste Zusage, die Forderungen Masurs bei Himmler zu unterstützen.
    Walter Schellenberg 1910–1952
Gut Hartzwalde
    Am Morgen erwachte ich vom Gedröhn der Flugzeuge, und während ich mich ankleidete, fiel in der Nähe eine Bombe. Beim Frühstück unterhielt ich mich mit Herrn Masur. Er drängte, Himmler alsbald zu sehen, da er wieder abreisen müsse. Ich wußte, daß Himmler versuchen würde, diese Zusammenkunft immer wieder hinauszuschieben, und mußte alles daransetzen, das Treffen bald zustande zu bringen.
    *
    Marthel Kaiser *1925
Neheim/ Westfalen
    Ein denkwürdiger Tag ist dies für uns, der 20. April, Hitlers Geburtstag. Verfluchen werden viele, ja fast alle Deutsche heute diesen Tag, und wie waren wir einmal so froh darüber. Wie hat sich doch alles gewandelt.
    Was hat dieser eine Mann doch alles getan. Gutes, ja gewiß, es ist nicht zu leugnen, daß auch manches dabei war, was gut war und idealistisch, aber das Gute wiegt nicht all das Furchtbare auf, was schließlich und endgültig über unser deutsches Volk gekommen ist, durch diesen Mann. Wie stehen wir heute in der Welt, niedrig wie nie zuvor, und es ist uns um so schlimmer und schmerzlicher, als wir hochgestanden haben wie nie zuvor. Wie haben wir gläubig vertraut, wie hat das Volk alles Elend geduldig ertragen, weil es glaubte, daß sich dies eines Tages zum Guten wenden würde. Aber nichts davon, sondern alles Leid und all die unendliche Reihe der Toten – umsonst – sinnlos geworden. Es ist eine solche bittere Wahrheit, daß man sie kaum begreifen kann. Die Zerstörung und Vernichtung unseres herrlichen, stolzen und geliebten Vaterlandes, ist das einzige, was restlos gelungen ist, Verbrechen sind begangen worden, von denen niemand etwas geahnt hat, für die wir heute alle büßen müssen und mit Recht. Und daß sie in Deutschland geschehen konnten, belastet uns alle, und wenn ein deutscher Offizier bei dem Anblick der Konzentrationslager sagt, daß er nun auch seine Ehre verloren habe, dann hat er ein wahres Wort ausgesprochen. Was müssen die Feinde von uns denken! Sie sind ja jetzt die Herren über uns, und wir müssen dankbar sein, wenn sie uns gnädig behandeln, und das alles haben wir dem zu verdanken, der heute Geburtstag hat!! Vielleicht ist nie ein Mensch mehr geliebt und verehrt worden, aber vielleicht auch nie von den gleichen Menschen mehr gehaßt, nachdem sich alles als Lug und Trug erwies. Wenn dann ein Mann wie Goebbels gestern eine solche phrasenhafte Lobhudelei dem Volk vorsetzt, wie in seiner alljährlichen Geburtstagsrede, so kann man nur denken, entweder sind wir alle wahnsinnig, oder was wahrscheinlicher ist, er selbst. Es klingt uns wie Hohn in den Ohren, wenn er sagt, daß der Führer nur für das Volk lebt und sein ganzes Wohl im Auge hat und daß wir uns dem Ende des Krieges nähern, das den Endsieg bringen wird. Wenn es nicht so jämmerlich wäre, müßte man lachen, daß dieser Mensch vom baldigen Endsieg spricht, ohne dabei zu sagen, wie er es anstellen will, den Feind, der weit mehr als die Hälfte des Reiches besetzt hat, wieder hinauszutreiben, und dem Volk waren diese Worte einst wie ein Evangelium. Wenn ich zum Beispiel an Frau Pfeiffer denke und so viele andere liebe Menschen und an mich selbst, dann wird es mir so recht elend zumute. Was wird man uns jetzt bringen? Wie wird die endgültige Regelung aussehen? Was wird aus uns und unserer Jugend, die man so verschwendet hat?! Ich habe für unsere Familie keine Angst, denn wir sind – so glaube ich – stark genug, um uns überall durchzusetzen und immer Herrzu bleiben, aber unser Vaterland wird man zerreißen, daß wir es nicht mehr wiedererkennen. Wie traurig bin ich und wie ohnmächtig.
    *
    Benito Mussolini 1883–1945
Mailand/Palazzo Monforte
    Interview
    «Gibt es denn noch eine Hoffnung? Gibt es die Geheimwaffen?»
    «Es gibt sie. Es wäre lächerlich und unverzeihlich zu bluffen. Wenn vergangenen Sommer nicht das Attentat auf Hitler verübt worden wäre, hätte man genügend Zeit für die Aktivierung dieser Waffen gehabt. Auch in Deutschland hat der Verrat den Zerfall verursacht, nicht einer Partei,

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