Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45
Ich wurde eines Tages von englischen Soldaten aus der Torfmiete getragen und nach Papenburg geschafft. Bei den katholischen Schwestern im Waisenhaus Papenburg-Ems erhielt ich nach Tagen des Hungerns das erste Essen. Ich verdanke mein Leben einzig und allein diesen hochherzigen und barmherzigen Leuten. Von der Stadt Papenburg erhielt ich und mein Kumpel Helmut Baumgarten aus Pattensen-Hannover nichts.
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Der britische Kriegsgefangene
Samuel Charles Grace
Nanndorf
Freitag, Ruhetag. Genoß es, im Bett zu rauchen, bekamen Brot & Käse & Ananasmarmelade zum Frühstück & gegen 11 Uhr der Höhepunkt, ein Pott kalter, guter, alter englischer Tee mit Milch & Zucker, zusammen mit süßen amerikanischen Keksen, Käse & Marmelade.
Ein englischer Geistlicher besuchte uns heute morgen, & nachdem er sich unser Jammern angehört hatte, erzählte er, daß Päckchen von IIIA kommen und wir bevorzugt behandelt würden. Heute nachmittag Kartoffeln, wir zerstampften sie mit Milch. Leberpastete & Salz, dann süßer Kaffee, Brot mit Marmelade, nur wenig, aber sehr schmackhaft. Noch keine Anzeichen von Rationen. Gerüchte, daß dieses ein Gebiet für den Nachschub ist. Gegen 7 Uhr flogen 100 Yanks über uns weg und bombardierten eine Müllkippe in der Nähe, 1 Kilometer entfernt. Auf einem selbstgebauten Kocher brühten wir uns Tee auf und aßen ein paar Schnitten an der frischen Luft. Letzter Befehl, bereithalten zum Abrücken. Die Russen sind jetzt viel mehr unsere Verbündeten.
Der britische Lieutenant Michael Gow
KZBergen-Belsen
Gestern fuhr ich mit unserem Arzt zum Konzentrationslager Belsen, über das Du zweifellos in der Zeitung gelesen hast. Wir fuhren durch den Ort Belsen und folgten den Schildern zum Lager, fuhren durch die Tore in eine sehr beeindruckende Ansammlung von Kasernengebäuden, viel besser in ihrer Art als irgendetwas in England. Das erstaunte uns zu dieser Zeit, weil wir kaum erwartet hatten, so einen gut aussehenden Ort vorzufinden. Wir erfuhren später, daß diese Kasernen nur Tarnung waren und daß, wenn ausländische Besucher kamen, um das Konzentrationslager zu besichtigen, ihnen statt dessen dieser Platz gezeigt wurde. Es gab nur die schmale Straße ins Lager, die ich in der Karte eingetragenhabe. Die Briten hatten ein Lazarett in «B» eingerichtet, und das besichtigten wir zuerst. Als wir außerhalb der «Entseuchungshalle» standen, sahen wir Krankenwagen kommen und gehen und konnten nicht herausfinden, aus welchem Grund die Tragen bis auf die Decken leer waren, bis wir entdeckten, daß es ganz unmöglich war, zwischen einer Trage nur mit Decken oder einer mit einem Körper darauf zu unterscheiden, so ausgemergelt waren die Gefangenen. Wir gingen dann in die Halle, und auf jeder Seite wurden weibliche Gefangene gewaschen und mit Desinfektionsmittel eingesprüht. Sie waren alle so dünn, daß es praktisch unmöglich war, mit Bestimmtheit zu sagen , ob sie Frauen waren, vom Alter ganz abgesehen. Sie litten fast alle unter Typhus, Dünndarmentzündung oder Ruhr, und die Todesrate beträgt immer noch 500 täglich.
Um die Männer hatte man sich noch nicht gekümmert, weil das medizinische Personal so schwer arbeitete, daß es einfach keine Zeit dazu hatte. Es ist entsetzlich, darüber nachzudenken, daß diese Frauen einst normal und gesund waren und daß sie einmal aus guten Häusern kamen. Einige waren drei Jahre in Belsen gewesen. Das Waschen wurde von herbeigeholten deutschen Krankenschwestern erledigt, die ganz entsetzt waren über das, was sie sahen.
Außerhalb der Baracken lagen Leichen, die noch nicht begraben waren; die SS-Wachen, die gefangengenommen wurden, als die Briten den Ort einnahmen, erhielten den Auftrag, die Körper aufzuheben und zu begraben. Einige weigerten sich, offenbar weil es gegen die «Spielregeln» war, daß sie diese Arbeit verrichten sollten, aber ich denke, daß unsere Truppen ganz schön hart mit ihnen umgesprungen sind.
Erbeutete deutsche Statistiken für den letzten Monat verzeichneten 15000 Tote in Belsen «C». Die Sicherheitsvorkehrungen gegen Ausbruch waren, wie Du vermuten wirst, Wachtürme usw., obwohl ich nicht weiß, wie die Deutschen sich vorstellten, daß diese Menschen mit Oberschenkeln von der Stärke meines Handgelenks ausbrechen könnten. Es war der entsetzlichste Anblick, den ich je gesehen habe oder je sehen werde.
Beim Fortgehen wurden wir gebeten, vom Bataillon Schokolade für die Kinder zu schicken, (die entweder hier geboren oder mit ihren Eltern
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