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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Gebietsmusikreferentin im BDM, und ich habe am 20. April 1945 die Geburtstagsfeier der Hitlerjugend für den Führer gestaltet. Wir begannen mit dem Berliner Fahnenmarsch unter der Leitung des Rundfunkspielschar-Leiters Willi Träder.
    Aufhebt unsre Fahnen
    in den frischen Morgenwind ...
    Der Text war von dem Arbeiterdichter Fritz Sottke. Die Feier fand im Kuppelsaal des Olympiastadions statt. Es nahmen daran teil Gruppen der Hitlerjungen und der Mädchen aus den verschiedenen Bannen. Neben mir saß der Komponist der Lieder: «Heilig Vaterland» und «Nichts kann uns rauben», Professor Heinrich Spitta. Er hat auch das Lied komponiert: «Erde schafft das Neue», dessen Text er selbst geschrieben hatte. Der Refrain lautete:

Wir Jungen schreiten gläubig der Sonne zugewandt
    und
    Wir geloben Hitler Treue bis ins Grab
    Das Ganze war eine reine HJ-Veranstaltung, der Fanfarenzug war gekommen und das Gebietsorchester. Und die Rede hielt der Gebietsführer.
    Es fuhren am 20. April noch alle öffentlichen Verkehrmittel, und wir haben uns damals gewundert, daß kein Fliegeralarm war. Ob die darauf Rücksicht nehmen? haben wir uns noch gefragt.
    Artur Axmann 1913–1996
Berlin
    Am 19. April 1945, dem Vorabend des 56. Geburtstages von Adolf Hitler, wurden traditionsgemäß die zehnjährigen Jungen und Mädel in das Jungvolk aufgenommen. In den vergangenen Jahren hatte die Feier zur Aufnahme im großen Remter der Marienburg im Osten des Reiches stattgefunden. Sie befand sich jetzt schon längst in Feindeshand. Die diesjährige Feier wurde deshalb im Kuppelsaal des Berliner Reichssportfeldes begangen. Wir hatten alle vorbeugenden Maßnahmen für den Fall eines Luftangriffs getroffen. Es war unsere letzte Reichsveranstaltung. Der amphitheatralische Raum des Kuppelsaals war bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht mehr die Uniform bestimmte das Bild. Die Jungen trugen weiße Hemden und die Mädel weiße Blusen. Mit ihren hellen Stimmen sangen sie die Lieder der Jugend. Das Kammerorchester der Berliner Hitlerjugend spielte. Hier drinnen war Frieden, während draußen schon das Grollen der nahenden Front zu hören war. Mir fiel es sehr schwer, an diesem Tag die rechten Worte zu finden. Woher sollte man die Hoffnung nehmen? Aber trotz allem pflanzt man sie immer noch am Grabe auf.
    Unter uns saßen auch die 16- und 17jährigen Kämpfer unserer Panzernahkampfbrigaden, die schon verwundet und wegen Tapferkeit ausgezeichnet worden waren. Bei ihnen weilte ich zwei Tage zuvor, als die Sowjets unter massiertem, heftigstem Artilleriefeuer zum Großangriff auf Berlin aus dem Raum Frankfurt/Oder und den Seelower Höhen angetreten waren. [...]
    Am Nachmittag des 20. April fand ich mich mit unserer Abordnung im Garten der Reichskanzlei ein. Dort war eine Einheit der Kurland-Armee und der SS-Division «Frundsberg» angetreten. Zwischen ihnen nahmunsere Abordnung Aufstellung. Hitler erschien aus dem Bunker mit Dr. Goebbels, Heinrich Himmler, Albert Speer und Martin Bormann. Hermann Göring war nicht dabei, sondern vorher bei Hitler gewesen. Ich erstattete dem Führer Meldung. Dann schritt er mit mir die Front der Abordnung entlang. Er ging leicht gebeugt und hielt seine zitternden Hände auf dem Rücken verschränkt. Er hielt eine kurze Ansprache. Sinngemäß verglich er unser Volk mit einem schwer erkrankten Patienten, für den die Wissenschaft am Ende noch ein rettendes Medikament zur Verfügung habe. Es sei aber entscheidend, daß der Patient seinen Lebenswillen behielte. Die Schlacht um Berlin müsse gewonnen werden. Seine Worte schloß er mit dem Ruf: «Heil euch!» Es blieb still. Keine Antwort, ein Zeichen der Erschütterung. Nur wenige Kilometer entfernt stand bereits der Feind. Erstaunlich war, welche Willenskraft und Entschlossenheit von diesem Mann noch ausging. Alle standen unter seinem Bann, auch ich. [...]
    Als die engsten Mitarbeiter dem Führer gratulierten, stand ich in der Nähe von Himmler und hörte seine Worte: «Mein Führer, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, auch im Namen der SS, und alles Gute.» Für meine Begriffe klang das kühl und unverbindlich. [...] Hatte sich seitdem das Verhältnis zwischen diesen beiden Männern abgekühlt?, so fragte ich mich.
    Lothar Loewe *1929
Berlin-Tempelhof
    Am 20. April, es war Hitlers Geburtstag, erhielten wir Sonderrationen: zwei Tafeln Fliegerschokolade und eine Flasche Rotwein. In den Kellern des Flughafens spielten sich nachts gespenstische Orgien ab. Auf den Feldbetten

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