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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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auch an einigen Stellen die großen Vögel, die durch die Explosion hochgeschleudert wurden, tot herunter. Ein großer Braunbär in einem Käfig blutet stark aus der Schulter und brummt und brüllt laut vor Schmerzen. Zum Glück ist unser Wagen fertig, und wir verlassen schleunigst diesen traurigen Ort. AmEingangstor sitzt ein Wärter in einem kleinen Spitzbunker. Ich rufe ihm noch zu, daß sein Bär getroffen sei, und wir fahren in Richtung Krankenhaus. Ich bin so müde, daß ich auf dem Sitz in meinem Wagen einschlafe und nicht einmal höre, wie die Bomben um uns einschlagen. Hierdurch hatten wir wieder zwei Verwundete.
    Lagebesprechung
Berlin/Führerbunker
    Goebbels: Mir scheint es wichtig zu sein, daß, solange wir noch keine Entlastung von außen bekommen, wir unseren Verteidigungsraum um Berlin möglichst groß halten müssen.
    Hitler: Je enger wir sind, um so schlechter ist es. – Die Alliierten werden eine Demarkationslinie auf Grund von diplomatischen Abmachungen gezogen haben. Der Russe denkt aber bestimmt nicht daran, sie einzuhalten. Ich weiß, wie es im Winter 1940 war. Ich bin nicht aus Leichtsinn in den Krieg gegen Moskau gegangen, sondern weil ich auf Grund bestimmter Informationen wußte, daß ein Bündnis zwischen England und Rußland vorbereitet wurde. Die Frage war, ob man selbst losschlagen sollte oder ob man wartete, bis man zu irgendeiner Zeit erdrückt würde.
    Nun habe ich damals den Molotow kennengelernt. Die Russen hatten damals keine überwältigenden Welterfolge erzielt. Sie hatten eine Niederlage in Finnland zu verzeichnen. Dann hatten sie ein paar Gebiete besetzt. Im Polenfeldzug haben sie so lange gewartet, bis wir weit über die verabredete Demarkationslinie hinaus waren. Dann kam unser Feldzug im Westen, in dem wir einen Riesensieg errangen. Das hatten die Russen nicht erwartet. Irgendwo muß die Macht des großasiatischen Khans gebrochen werden. Es war der größte Sieg der Weltgeschichte. Dann kamen die verschiedenen Demonstrationen unserer Luftwaffe gegen England. Und bei dieser Gesamtsituation stellte Molotow in Berlin Forderungen an uns, die ungeheuerlich waren.
    *
    Der Generalleutnant
    Adolf Galland 1912–1996
München-Riem
    In diesen Tagen erfüllte sich das deutsche Schicksal. Am 25. April reichten sich an der Elbe bei Torgau amerikanische und sowjetische Soldaten die Hände. Der letzte Verteidigungsring Berlins wurde bald durchbrochen. Über dem Wiener Ballhausplatz wehte die rote Fahne. Die deutsche Front in Italien brach zusammen. Und in Pilsen fielen die letztender während fünf Kriegsjahren auf Europa abgeworfenen 2755000 Tonnen westalliierter Bomben.
    Um diese Zeit rief ich meine Flugzeugführer zusammen und sagte ihnen: «Der Krieg ist militärisch verloren. Auch unser Einsatz kann hieran nichts mehr ändern ... Ich kämpfe weiter, weil dieser Einsatz mit der Me 262 mich innerlich gepackt hat, weil ich stolz darauf bin, zu den letzten Jägern der deutschen Luftwaffe zu gehören ... Nur wer sich diesem meinem Gedanken anschließen kann, soll weiter mit mir fliegen ...» Inzwischen entschied auch die harte Wirklichkeit des Krieges die Frage «Bomber- oder Jagdeinsatz der Me 262» endgültig zu unseren Gunsten. Die Führung hatte in Berlin und anderwärts vollauf mit sich selbst zu tun. Ungezählte Instanzen, die bisher in Zuteilung und Einsatz der Düsenflugzeuge hineingeredet hatten, hörten auf zu funktionieren oder drangen nicht mehr durch. Bomber, Aufklärer, Schlachtflieger, Nachtjäger und verschiedene Erprobungskommandos, die man mit den uns fehlenden Me 262 ausgerüstet hatte, lieferten jetzt ihre Flugzeuge bei uns ab. Von allen Seiten wurden wir mit Turbos beschenkt. Wir hatten schließlich einen Bestand von 70 Maschinen.
    *
    Der Oberleutnant Fritz Radloff 1916–1989
Berlin-Westend
    Die Nacht vergeht verhältnismäßig ruhig. Der Russe wirft verstreut Bomben, wirft aber wenig. Gegen 3.45 Uhr dämmert es, es bricht der 25. April an. Es wird der große Tag von Westend. Die Abteilung besitzt von ihren neuen Batterien noch fünf. Gartenfeld, Plötzensee, Ruhleben, Westend und Grunewald. Kurz vor 4 Uhr kommen die ersten Feuerbefehle. Zilch hat den Rechenblock auf den Knien, Drews steht an der Karte, und ich habe die Befehlsleitung am Ohr. Der Kampf entbrennt erbittert an der ganzen Linie. Vom Spandauer Schiffahrtsweg, von der Tegeler Brücke bis zum Staudamm Jungfernheide. An der Hinklebrücke ist der Feind in der Nacht durchgesickert, und er plant den Durchstoß

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