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Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45

Titel: Das Echolot Abgesang '45. Ein kollektives Tagebuch (4. Teil des Echolot-Projekts) - Kempowski, W: Echolot/Abgesang '45 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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am Kopf vorbei, aber ich muß weiter. [...]
    Weiter, denn die Batterie steht auf dem Spiel. So erreiche ich Tiergarten und passiere die Siegessäule, als ein mörderischer Bombensegen heran- heult. Ich werde von der Maschine geworfen, lande neben einem Baum, es prasselt und berstet, kurz hinter mir geht ein Munitionslager hoch, neue Bomben fallen, Rauchsäulen steigen empor, die Erde erzittert, unglaubliche Detonationen, Dreck und glühendes Eisen fliegen durch die Luft. Junge, hier bist du aber in eine Hölle hineingeraten. Nur gut, daß die Batterie noch zurück ist, sie darf jetzt hier nicht rein. Also heißt es auf die Maschine und zurück! Gut gedacht, aber schwer getan. Unaufhörlich kommt der Segen von oben, ist die Maschine denn noch intakt? Wenn nicht, dann zu Fuß, denn die Batterie ist hier unrettbar verloren. Also hoch! Nach einem verebbten Bombenschlag in unmittelbarer Nähe steige ich auf, ran an die Maschine, zweimal mache ich den Anlauf, zweimal werde ich durch den Luftdruck zurückgeworfen, beim dritten Mal gelingt es mir, antreten, 2. Gang und Vollgas, das ist eine einzige Sekundenhandlung. Die Maschine heult auf, und in sausender Fahrt brause ich die Ost-Westachse entlang, meiner Batterie entgegen. Am Knie erreiche ich sie und kann sie zum Halten bringen. Gott sei Dank, es ist geschafft. Schweiß rinnt mir von der Stirn, mein Erkundungsoffz. gibt mir eine Zigarette, ein Cognak wird von hinten aus demWagen gereicht, das tut gut, ich freue mich, daß ich die Batterie wieder habe, die Männer freuen sich, daß ich wieder bei ihnen bin.
    Der Oberleutnant Kroemer
Berlin/Flughafen Tempelhof
    Am Vormittag stehen wir am Tempelhofer Flugplatz. Russische Artillerie schießt ununterbrochen. Von den acht Berliner Verteidigungsabschnitten halten wir jetzt den Abschnitt «D». Der Kampfkommandant befindet sich im Luftfahrtministerium. Unsere Hauptkräfte konzentrieren sich um das Karstadt-Hochhaus und die Sarotti-Schokoladenfabrik. An Stelle von infanteristischem Ersatz erhalten wir zusammengewürfelte Alarmeinheiten. Hinter uns bricht immer noch Zivilbevölkerung auf, die im Artilleriefeuer den Versuch macht, zu entkommen. Sie schleppt dürftige Bündel, Reste ihrer Habe, mit. Dazwischen versuchen Verwundete, nach hinten zu kommen. Aber die meisten bleiben, weil sie fürchten, von irgendwelchen Standgerichten aufgegriffen und als Deserteure erhängt zu werden.
    Die Russen brennen sich mit Flammenwerfern in die umkämpften Häuser ein. Das Schreien von Kindern und Frauen ist fürchterlich. Gegen 15 Uhr besitzen wir noch knapp ein Dutzend Panzer und etwa dreißig Schützenpanzerwagen. Dies sind die einzigen Panzerfahrzeuge im ganzen Befehlsbereich des Wilhelmplatzes. Die Befehlsverhältnisse sind unklar, denn immer wieder kommen über Bärenfänger Befehle aus der Reichskanzlei. Sie beordern Panzer an andere Brennpunkte der Stadt, von wo sie nicht zurückkehren. Nur der Härte von General Mummert ist es zu verdanken, daß die Division nicht schon heute verheizt wird. Es stehen kaum noch Fahrzeuge für Verwundetentransporte zur Verfügung.
    Die Artillerie wird am Nachmittag in den Tiergarten verlegt. Munition ist nur noch wenig vorhanden. Rings um das Verwaltungsgebäude Tempelhof sieht es aus, als sei die Hölle losgebrochen. Gebrüll, Granatexplosionen, Einschläge der Stalinorgeln. Die Schreie Verwundeter, Lärm von Motoren und Maschinengewehren. Darüber Rauchschwaden, Chlor- und Brandgeruch. In den Straßen viele gefallene Frauen, die den Versuch machten, Wasser zu holen. Vereinzelt aber auch Frauen mit Panzerfäusten in der Hand, Schlesierinnen, die von wildem Rachedurst erfüllt sind.
    Lagebesprechung
Berlin/Führerbunker
    Hitler: [Molotow] forderte von uns, daß wir am Ausgang zur Nordsee auf dänischem Boden Stützpunkte abtreten. Er hat schon damals Ansprüche darauf angemeldet. Er verlangte Konstantinopel, Rumänien,Bulgarien, Finnland, und wir waren damals die Sieger! Wie wird dieser Molotow jetzt auftreten gegenüber den Engländern und Amerikanern mit solchen Siegen und nach dieser katastrophalen Pleite der Alliierten. Nun kommt dieser asiatische Konflikt dazu. In Amerika werden nüchterne Rechner sagen: Was wollen wir denn hier überhaupt? Kapitalinvestierungen vielleicht? Aber Absatzmärkte bekommen wir hier nicht. Rohstoff für uns gibt es in China. Andererseits aber wollen sie nicht, daß Rußland in den Krieg gegen Japan geht. Sie sagen: Mit Japan werden wir allein fertig.
    Goebbels: Wenn die

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