Das echte Log des Phileas Fogg
Vorgesetzten (Capellaner, nicht die Polizei) es ihm verweigert hatten, Fogg schon am Tag nach dem Diebstahl zu ›finden‹ und zu verhaften. Nein, sie hatten darauf bestanden, daß alles ganz zufällig aussah, wenn er Fogg während seines Gangs vom Haus zum Reform-Club verhaftete. Es sollte ganz natürlich und ungezwungen wirken. Die Verhaftung sollte drei oder vier Tage nach dem Diebstahl erfolgen; es bestand kein Grund zur Eile. Mr. Fix brauchte zunächst einen Anlaß, der ihn in Foggs Nähe brachte. Dannwürde er Fogg ›zufällig‹ sehen, die Ähnlichkeit mit dem Dieb ›bemerken‹ und ihn festnehmen. Die Chance war gering, ihn für längere Zeit im Gefängnis festzuhalten oder gar vor ein Gericht bringen zu können. Veme hat dies anscheinend übersehen, doch er war nur einer von vielen Millionen, denen die läppische Schwäche des Verdachts im Falle Fogg nicht auffiel. Abgesehen von der verblüffenden Ähnlichkeit zwischen Fogg und dem Täter gab es keinen Anhaltspunkt für Foggs Schuld. Die Aussage von Foggs Diener hätte bestätigt, daß Mr. Fogg am Morgen des Diebstahls bis 11.30 Uhr in seinem Haus verblieben war. Mindestens zwei Dutzend Personen konnten beschwören, daß er den Reform-Club zur üblichen Uhrzeit betreten und sich dort bis lange nach der Tatzeit aufgehalten hatte.
Es bleibt ein Geheimnis, warum die Öffentlichkeit oder die Polizei Mr. Fix’ angeblicher Identifizierung Mr. Foggs als Täter überhaupt Beachtung schenkte. Jeder Polizist vom nächsten Revier hätte mit Leichtigkeit und in kurzer Zeit feststellen können, daß Mr. Fogg unmöglich als Täter in Frage kam. Die einzige Erklärung für dieses Mißverständnis dürfte darin zu suchen sein, daß sich der Diebstahl bereits am frühen Morgen ereignete und Forster, der Diener, unauffindbar war und deshalb nicht bezeugen konnte, daß sein Herr am fraglichen Morgen das Haus erst um 11.30 Uhr verlassen hatte. Forster muß auf einen Auslandsauftrag geschickt worden sein, von dem Stuart ihn nicht zurückrufen konnte, nicht einmal, um Foggs Ansehen zu retten.
Doch wie war Fix nach Suez gekommen, bevor er wußte, daß Fogg England verlassen und auf der Mongolia reisen würde? Die Antwort lautet, daß die Capellaner, obwohl sie Menschen und Geschehnisse oft genug manipulierten, nicht immer die Entwicklung nach ihrem Belieben beeinflussen konnten. Fix war Capellaner und Polizeiagent zugleich. Als der Polizeipräsident ihn nach Suez schickte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zu machen. Er hätte eine Erkrankung vortäuschen und im Land bleiben können. Doch seine capellanischen Vorgesetzten müssen entschieden haben, daß es genausogut war, wenn ein gewöhnlicher Polizist Fogg verhaftete.
Und so reiste Fix per Eisenbahn und Dampfer in die Hafenstadt am Roten Meer. Unterdessen wollten seine capellanischen Vorgesetzten die Polizei durch einen anonymen Brief auf Fogg aufmerksam machen. Man würde Fogg zum Verhör holen. Vermochten die Capellaner Forster zu entführen, würde er Fogg nicht entlasten können, nicht bezeugen, daß Fogg daheim gewesen war und nicht in der Bank of England. Wie es sich jedoch ergab, ließen die Capellaner sich für ihr Komplott ein wenig zuviel Zeit. Forster war verschwunden; das paßte durchaus in ihren Plan, obwohl sie natürlich gehofft hatten, ihn in ihre Gewalt zu bekommen, um in den Besitz seiner Informationen zu gelangen. Aber Fogg selbst verließ nun plötzlich England.
Wir können uns ganz gut vorstellen, was die Capellaner unternahmen, da wir nicht minder logisch zu denken vermögen als sie. Die unerwartete Vereitelung ihres Plans konnte sich als glückliche Wende erweisen. Wenn Fix Fogg in Suez verhaftete, ließ es sich vermeiden, ihn der englischen Polizei zu übergeben. Während der Rückreise nach England würde man eine ›Flucht‹ Foggs arrangieren. Fogg würde verschwinden, dem Anschein nach in ein Versteck. Aber ankommen würde er in einem geheimen Gewölbe der Capellaner. Dort wollte man ihn den Verhören unterziehen, die ursprünglich Forsters Schicksal sein sollten. Der eigentliche Plan hatte vorgesehen, Fogg für einige Tage im Gefängnis festzusetzen, so lange, wie die Polizei brauchte, um seine Unschuld festzustellen; doch zuvor, so war es geplant gewesen, hätte man ihn ›befreit‹. Ehe er gemerkt hätte, daß nicht, wie er annahm, Eridaner seine ›Befreier‹ waren, wäre es zu spät gewesen.
So kam es, daß Fix die Nachricht erhielt, er solle Fogg in Suez abfangen.
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