Das echte Log des Phileas Fogg
Fix.
Passepartout weigerte sich, das zu glauben. Seine Uhr, so erklärte er, gehe im Jahr keine 5 Minuten falsch; sie sei ein Erbstück und habe ursprünglich seinem Urgroßvater gehört. Und es stimmte, daß er das Chronometer wegen seiner Zuverlässigkeit sehr schätzte. Doch hauptsächlich zeigte er Fix die Uhr, um zu erfahren, ob er, falls er ein Capellaner war, den Verdacht hegte, daß sich in dem Gehäuse auch ein Distorter verbarg. Fix aber beschäftigte sich anscheinend lediglich mit Passepartouts mangelhaften Kenntnissen. Er sagte ihm, seine Uhr zeige noch Londoner Zeit an; in Suez dagegen finde der Sonnenaufgang 2 Stunden früher statt. Er solle seine Uhr jeweils am Mittag stellen, sobald er einen neuen Längengrad erreiche.
Passepartout reagierte, als sei dieser Vorschlag höchst frevelhaft. »Ich und meine Uhr stellen? Niemals!«
»Dann wird sie«, meinte Fix geduldig, aber in seiner nervösen Art, »nicht mit dem Sonnenstand übereinstimmen.«
Passepartouts Antwort war typisch französisch. »Da ist die Sonne selbst dran schuld.«
Diese Mißachtung der Naturgesetze und Passepartouts Entrüstung brachten Fix für einige Augenblicke zum Schweigen; er faßte sich jedoch bald. »Sie hatten es also eilig, London zu verlassen?«
»Das will ich meinen. Am vergangenen Freitag kam Mr. Fogg kurz vor 20.00 Uhr aus dem Club, und 45 Minuten später waren wir schon unterwegs.«
»Und wohin so eilig?«
»Rund um die Erde. In 80 Tagen.«
Diese Auskunft verblüffte Fix. Jedenfalls machte er diesen Eindruck. Vielleicht hatten seine Vorgesetzten ihn noch nicht von der Wette informiert. »Rund um die Erde?«
Passepartout erzählte von der Wette. Was ihn angehe, ergänzte er, glaube er jedoch nicht recht daran; es müsse einen anderen Grund für die unerwartete Abreise und die verrückte Hast geben.
Diese Äußerung mag Fix davon überzeugt haben, daß der Franzose wirklich nur ein unschuldiger Reisebegleiter sei; in diesem Fall konnte er bei freundlichem Umgang viel von dem Burschen erfahren. Wenn Passepartout sich auch verstellte, über Foggs Absicht, die Reise weiter nach Osten fortzusetzen, mußte er die Wahrheit sagen. »Bombay, ist das weit von hier?« fragte er.
»Ziemlich. Mit dem Schiff noch zehn Tage.«
»Und in welcher Gegend liegt denn das?«
»In Indien.«
»Das liegt doch in Asien?«
»Schon immer.«
Eine solche Unwissenheit hätte man bei einem Bauern oder analphabetischen Arbeiter des 19. Jh.s entschuldigen müssen. Aber konnte ein Mann, dessen Name besagte, er komme überall hin, und der auch schon so gut wie überall gewesen war, so elementarer geographischer Kenntnisse entbehren? Kaum. Vielmehr spielte er die Rolle weiter, die ihm zugefallen war. Um ihr Nachdruck zu verleihen, erzählte er Fix vom Gashahn, den zuzudrehen er vergessen hatte. Sein Herr stelle ihm – rechtmäßigerweise, wie er gestehen müsse – die Kosten in Rechnung. Daher würden ihm vom Lohn täglich nur 6 Pennies übrigbleiben.
Fix war das alles gleichgültig. Nachdem er sich von dem Diener verabschiedet hatte, forderte er telegrafisch den Haftbefehl an. Dann packte er eine kleine Tasche und eilte an Bord der Mongolia, wenige Minuten bevor sie ablegte. Wir können sicher sein, daß er auch an seine Vorgesetzten in London ein verschlüsseltes Telegramm schickte. Ihre Antwort würde er im Telegrafenamt von Bombay erhalten.
8
Planmäßig sollte die Mongolia 1310 Seemeilen innerhalb von 138 Stunden zurücklegen. Fogg aß seine vier täglichen Mahlzeiten, Frühstück, Mittagsmahlzeit, Abend-und Nachtessen. Auch während des zweiten Teils der Seereise ließ Fogg sich nicht auf Deck blicken, aber er beschränkte seine Bewegungsfreiheit ebensowenig auf seine Kabine. Wenn er eine Vorliebe hatte, außer der für ein geregeltes Leben, dann für das Whistspiel. Damals war dies Spiel, der Vorläufer des Bridge, eine englische Manie. Fogg fand drei genauso leidenschaftliche Liebhaber der Karten und verbrachte fortan die meiste Zeit an einem Tisch mit ihnen. Es handelte sich um einen Steuerbeamten auf dem Weg nach Goa, einen Geistlichen und einen Brigadegeneral, der Ihrer Majestät in Benares diente. Sie alle waren nicht nur hervorragende Spieler, sondern auch schweigsam; das freute Fogg besonders. Vielleicht suchte er ihre Gesellschaft ursprünglich, um herauszufinden, ob einer davon für ihn eine Botschaft von Stuart habe. Doch anscheinend waren sie wirklich das, wofür sie galten, und interessierten sich ausschließlich
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