Das echte Log des Phileas Fogg
was sein Zögling angestellt hatte, erlitt beinahe einen Rückfall. Sogleich klärte er den Jungen darüber auf, welche Folgen es haben mußte, begann er nicht alsbald mit der Ableitung des Traumas. Es würde sich vertiefen, wenn es mit gewöhnlichen Unlustgefühlen verschmolz. Eines Tages würde die gespeicherte Spannung sich gewaltsam und mit verheerender Wirkung entladen.
Der junge Phileas mußte das mentale Äquivalent eines Tropfgefäßes einrichten. Auf diese Weise konnte er die Spannung langsam abbauen; ein zwar schmerzhafter, aber gefahrloser Prozeß.
Was ein Tropfgefäß war, wußte Phileas. Er kannte es aus dem Laboratorium im Keller des Gutshauses. Es war der Leidener Flasche jener Zeit weit überlegen, und er hatte schwören müssen, strengstes Stillschweigen über sie zu bewahren.
Phileas tat wie geheißen, doch behielt er den Prozeß nicht ständig unter Kontrolle. Unglücklicherweise war in seinen Nervenbahnen eine regenerative Rückkopplung entstanden. Im gleichen Maße, wie er das Trauma ableitete, baute es sich von neuem auf. Sir Heraclitus war sehr verwirrt und rief schließlich Andrew Stuart zu Hilfe. Zu diesem Zeitpunkt war Phileas 12 Jahre alt und hatte gerade das Zeremoniell hinter sich, mit dem er Mitglied der Blutsbrüderschaft geworden war und vollwertiger Eridaner – und außerdem für eine Weile krank, denn die Blutkörperchen Stuarts und des alten Fogg benutzten als Sauerstoffträger nicht Eisen, sondern Vanadium.
Stuart hatte erläutert, daß Phileas’ Trauma aus früheren, inakuten Traumata nachgespeist werde. Diese seien durch die Zurückweisung durch seinen leiblichen Vater und den Tod seiner Mutter entstanden. Er hatte sie auf natürliche, doch nachteilige Weise verdrängt. Und eine natürliche Sperre mußte man durchbrechen.
Täglich speicherte Phileas Fogg alle Verstimmung, Mißbehaglichkeit und Schmerzen, denen ein Lebewesen, irdischer Herkunft oder nicht, ausgesetzt sein kann. Der Abbau gespeicherter Unlustgefühle erforderte viel Zeit, und so hatte er die Hauptaufgabe, die endgültige Beseitigung seiner Traumata, niemals vollständig ausführen können. Obwohl er während der vergangenen vier Jahre in strengem äußerlichen beziehungsweise physischen Rhythmus gelebt hatte, war er hinter seinem inneren beziehungsweise psychischen Zeitplan weit zurück.
Vom 12. bis zu seinem 21. Lebensjahr hatte seine Erziehung ihn sehr beansprucht. Er erhielt sie sowohl von menschlichen und deshalb gewöhnlichen wie auch eridanischen und daher höchst außergewöhnlichen Lehrmeistern. Im Alter von 21 Jahren war er in jenem lautlosen Krieg, der seit zwei Jahrhunderten tobte, Soldat auf Lebenszeit.
Mit 36 Jahren hatte er seinen langwierigsten Agentenauftrag abgeschlossen. Fast wäre er im Meer ertrunken, doch rettete ihn ein Fischer vor den Lofoten-Inseln. Er kehrte zurück nach Fogg Hall, wo er sich erholte und neue Befehle erwartete. Während des dortigen Aufenthalts ließ er – zur Vorbereitung auf sein Wiedererscheinen in der Welt – den Bart wachsen. Sein Pflegevater hatte im Verlauf der Aktion den Tod gefunden. Seine Gebeine ruhten auf dem Meeresgrund; das war, wenn er schon hatte sterben müssen, ganz gut. Jeder Arzt oder Anthropologe, dem sie unter die Augen geraten wären, hätte sofort allerhöchstes Interesse empfunden, dem nur der Tod Einhalt gebieten konnte.
Und der Verlust des Pflegevaters war ein neues schweres Trauma, das er verdrängt hatte und später allmählich ableiten mußte.
Während Phileas Foggs Bart wuchs, machte Stuart unbeirrt seine weitreichenden Pläne. Fogg war von Anfang an in sie einbezogen, doch er benötigte eine Phase der Ruhe und Entspannung, die es zu berücksichtigen galt.
Warum mietete Phileas Fogg das Haus Saville Row Nr. 7 unter seinem Namen? Niemand weiß es. Doch bei allen vorherigen Aufträgen hatte er in Verkleidungen und unter falschen Namen gearbeitet. Den wirklichen Charakter von Fogg Hall kannten die Capellaner natürlich nicht. Andernfalls hätten sie den Herrensitz angegriffen. Wahrscheinlich sah Stuart voraus, daß Foggs Name, sobald er die Wette abschloß,weithin an die Öffentlichkeit dringen würde. Fogg würde niemandem seine Herkunft verraten. Aber wenn irgendein eifriger Reporter oder geschickter Detektiv Ermittlungen anstellte, bestand die Möglichkeit, daß sie enthüllt wurde. Stuart war keineswegs daran gelegen, daß man Foggs Herkunft aufdeckte, aber falls es geschah, war es nicht allzu gefährlich. Die Menschen würden
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