Das echte Log des Phileas Fogg
vermochte, der keine zusätzlichen Nerven in der Nase besaß. So wie Fix einen Kriminellen riechen konnte, womit er beim britischen Konsul geprotzt hatte, so konnte er den menschlichen Tiger in einem Menschen riechen. In diesem Fall stank der Mann sowohl nach Verbrechen wie nach einem Tiger. Fix hätte Fogg und Passepartout bedauert, wären sie keine Eridaner gewesen. Und selbst – doch nein, solche Empfindungen durfte er sich nicht leisten. Vom Feind durfte er nie anders denken als wie von Ungeziefer – einem höchst gefährlichen Ungeziefer. Dennoch war er froh, daß der Mann mit den ungewöhnlich weit auseinanderliegenden grauen Augen ihm nicht befohlen hatte, die beiden zu töten.
Die Geschichte vom Verlauf der Seereise – von diesem Zeitpunkt bis zu jenem, da man den 180sten Längengrad erreichte – ist durch Vernes Schilderung wohlbekannt. Die Ereignisse dieses Zeitraums sollen deshalb hier nur kurz umrissen werden für jene, die das Buch vor langem gelesen haben, so daß sie sich nicht mehr richtig entsinnen.
Aouda, das war offensichtlich, hatte sich in Fogg verliebt. Falls der Gentleman sich ihrer Zuneigung bewußt war, so ließ er es nicht erkennen. Passepartout konnte nicht verstehen, warum Fogg nicht auf die glühende Anbetung ansprach, mit der sie ihn verehrte. Er hätte bestimmt darauf reagiert.
Ein Orkan brachte der Rangoon eine Verspätung von 20 Stunden ein. Fix fand darin Trost, obwohl der Sturm ihn diesmal wirklich seekrank machte. Ihre Verzögerung machte es nur wahrscheinlicher, daß der Haftbefehl inzwischen in Hongkong eingetroffen war und er Fogg endlich verhaften konnte.
Doch es gab Momente, in denen Fix wünschte, der Haftbefehl werde nicht zur rechten Zeit ankommen. Hatte er Fogg erst einmal die Handschellen angelegt, würde er auch an seiner Verschleppung und Folterung teilhaben müssen.
Nein, er würde es nicht. Jener Mann würde ihn nicht mitnehmen, weil es seltsam aussehen mußte, wenn er, Fix, ebenfalls verschwand. Er würde den erzürnten Detektiv spielen müssen, der unfähig genug war, um einen Gefangenen entwischen zu lassen.
Nachdem er darüber nachgedacht hatte und zu diesem Schluß gelangt war, fühlte Fix sich wohler. Er berücksichtigte nicht, daß er für Foggs Schicksal kaum weniger die Verantwortung tragen würde, als foltere und ermorde, nein, töte er ihn eigenhändig. Aber warum beschäftigte er sich überhaupt damit? Fogg würde es mit ihm nicht anders machen; die bloße Absicht konnte man ihm gar nicht hart genug heimzahlen.
Endlich ließ der Sturm nach, und damit verschwanden auch Fix’ Verwirrung und seine Skrupel. Die Rangoon hatte einen Tag Verspätung; es schien unvermeidlich zu sein, daß Phileas Fogg den Dampfer nach Yokohama versäumte.
Passepartout verzichtete darauf, über das Schiff Erkundigungen einzuholen. Keine Neuigkeiten zog er schlechten Neuigkeiten vor. Fogg dagegen zögerte nicht und erhielt eine erfreuliche Auskunft. Der Dampfer war wegen einer Kesselreparatur einen Tag lang auf gehalten worden. Sie würden ihn also trotz allem erreichen. Das war wirklich Glück, allerdings eins, dessen sie dringend bedurft hatten. Wäre ihnen das Schiff entgangen, hätte dies einen Zeitverlust von einer Woche zur Folge gehabt. Fogg war nach wie vor um 24 Stunden hinter dem Reiseplan zurück, aber das war keine Abweichung allzu ernsten Umfangs.
Da sie in Hongkong 16 Stunden Aufenthalt einlegen mußten, nutzte Fogg die Gelegenheit, um sich darum zu kümmern, daß Aouda in die Obhut ihres Vetters Jeejeeh kam. Fogg hatte sich mittlerweile vergewissert, daß sie tatsächlich die eridanische Agentin war, die man in den Palast des Radschahs eingeschleust hatte. Doch da keine ihre Person betreffenden Anweisungen vorlagen, sollte sie in Hongkong bleiben, bis sie welche erhielt. An der Börse zog Fogg Auskünfte über ihren Vetter ein. Wie er erfuhr, hatte Jeejeeh China bereits vor zwei Jahren verlassen. Er hatte seine Geschäfte aufgegeben und sollte nun in Holland ansässig sein. Fogg kehrte ins Club-Hotel zurück, wo er für Aouda ein Zimmer gemietet hatte.
Verne schreibt, daß sie sich zu dieser Wendung, die sie aller Obhut und allen Schutzes beraubte, nicht äußerte. Vielmehr fragte sie Fogg, was sie tun solle.
»Nach Europa reisen«, antwortete Fogg mit heiterer Ruhe.
Darauf soll sie erwidert haben, sie könne sich ihm unmöglich aufdrängen oder ihm auf seiner Weltreise zur Last fallen. Fogg entgegnete, sie tue weder das eine noch das andere.
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