Das echte Log des Phileas Fogg
natürliche Weise entlud als in Foggs Fall, fiel seine Therapie bedeutend kürzer und weniger gefährlich aus. Nach 1 Uhr ging er ins Bett.
Fogg erhob sich am Morgen erst spät und wirkte bleich und ausgemergelt. Gegen Mittag hatte er sein gewöhnlich gesundes Aussehen wiedererlangt, doch er bewegte sich wie jemand, den überschüssige Kräfte verunsichern. Aouda kam kurz vor 12.00 Uhr zum Frühstück herunter. Auch sie war blaß und hatte dunkle Ringe um die Augen.
Am Abend um 19.30 Uhr vernahmen die Bewohner des Hauses Saville Row Nr. 7 das Läuten der Glocken von Feuerwehrwagen. Als sie hinter den Vorhängen aus den Fenstern schauten, sahen sie im Licht der Gaslaternen eine große Anzahl von Menschen, darunter auch die Nachbarn, die Saville Row hinauflaufen. Das Geläut verstärkte sich, und zwei Feuerwehrwagen, jeder gezogen von einem Pferdegespann, rollten vorbei. Dem Augenblick, in welchem das Gebimmel verstummte, folgte der Knall einer Explosion, der die Fensterscheiben zum Klirren brachte. Passepartout, erregt vor Neugier, fragte Fogg, ob er hinaus dürfe, um zu sehen, was die Ursache des Tumults sei.
»Nein«, sagte Fogg. »Jemand könnte Sie sehen und dadurch erfahren, daß ich zurück bin. Ich möchte meine Rückkunft bis zum letzten Moment geheimhalten.«
Passepartout erachtete das für unwahrscheinlich, da offenbar jedermann, Diener und Herren, zum Schauplatz des Geschehens, des Feuers oder was es sein mochte, geeilt war. Man kannte ihn hier so gut wie gar nicht, und er hätte sich vor den anderen zurückziehen können. Aber er äußerte keinen Widerspruch, dennoch vermochte er nicht darauf zu verzichten, mehrere Male durch die Vorhänge nach draußen zu spähen. Beim letzten Mal, als er sich gerade abwenden wollte, bemerkte er, wie zwei Häuser vor der Nr. 7 eine zweirädrige Droschke hielt. Das Pferd stand einige Sekunden lang völlig reglos, während der Kutscher es von seinem hohen Kutschbock herab anbrüllte. Durch die Öffnung im Wagendach schob ein Insasse seinen Kopf und brüllte seinerseits den Kutscher an. Plötzlich begann das Pferd zu zittern und tat ein paar Schritte vorwärts. Der Kutscher richtete sich auf, um mit der Peitsche auf das Tier einzudreschen. Im nächsten Moment brach das Pferd unerwartet zusammen, so daß der Wagen vornüber kippte und der Kutscher seitwärts auf die Straße fiel.
Der Insasse der Droschke war dadurch anscheinend gänzlich verwirrt, denn er blieb mindestens eine Minute lang im Wageninnern. Dann stieg er an der Passepartout abgewandten Seite aus, schritt um die Droschke herum und untersuchte den Kutscher, der sich nach seinem Sturz nicht mehr gerührt hatte. Schließlich straffte er sich, tat einen Rundblick über die verlassene Straße und ging zum nächsten Haus. Er stützte sich auf einen recht schwer wirkenden Stock und zog das rechte Bein ein wenig nach. Gegen die Dezemberkälte trug er einen langen, dicken Umhang. Auf seinem Kopf saß eine Militärmütze, wahrscheinlich die eines Offiziers. Er klopfte so kräftig an die Tür, daß Passepartout es hörte. Als niemand öffnete, wandte er sich ab und schlurfte in seiner seltsam dreibeinigen Gangart zum benachbarten Haus. Passepartout vermutete, daß der Mann ein Offizier war, der verwundet aus Indien oder einer anderen fernen Gegend der Welt heimkehrte. Seine bronzefarbene Haut ließ auf einen langen Aufenthalt in tropischen Gefilden schließen.
Unterdessen hatte der Kutscher sich aufzurichten versucht und war wieder zusammengesunken. Das Pferd hatte sich nicht gerührt.
Passepartout ging nicht hinaus, um zu helfen, da Fogg ihm das Verlassen des Hauses untersagt hatte. Der Offizier würde allerdings gleich vor der Tür von Nr. 7 stehen. Was sollte er dann tun? Passepartout war im Zweifel. Der arme Kerl, der auf der Straße lag, benötigte offensichtlich Hilfe. Nun, er würde sich ganz einfach an Fogg wenden.
Der Offizier wandte sich soeben nach Foggs Haus, als Fogg am anderen Ende der Straße einen Mann in der Uniform des Telegrafenamtes im Laufschritt herbeieilen sah. Brachte er eine Nachricht für das Haus Nr. 7? Fogg hatte erwähnt, es könne eine Telegramm kommen. Passepartout kam zu der Auffassung, daß sich nun eine Entscheidung erübrigte. Er hatte die Anweisung, die Tür nur einem Boten des Telegrafenamtes zu öffnen. Er konnte nichts dafür, daß der Offizier die Tür im gleichen Moment wie der Bote erreichen würde. Fogg hätte sich wohl kaum geweigert, dem Verletzten auf irgendeine Weise
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