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Das echte Log des Phileas Fogg

Das echte Log des Phileas Fogg

Titel: Das echte Log des Phileas Fogg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip José Farmer
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oder Befehle zu übermitteln hatte, doch Fogg benötigte diese Nacht mit an Verzweiflung grenzender Dringlichkeit. Die Aufregungen und Schrecken, welche ihm während der Reise widerfahren waren, hatten sich in seinem Innern bis zum Siedepunkt angestaut. Er mußte sie zumindest teilweise entladen, um seinen psychischen Boiler vor dem Zerplatzen zu bewahren. Ungefähr sechs Stunden therapeutischer Emission von Neuronenströmen würden dafür ausreichen.
    Unterwegs jedoch änderte er seine Absicht. Er mußte Stuart mitteilen, daß er sich in der Saville Row 7 aufhielt. Die Capellaner verfolgten einen Plan; daß sie eine Transmission durchgeführt hatten, bewies es. Wenn er nun leichtsinnig war, stürzte er womöglich die Eridaner ins Verderben, von ihm selbst gar nicht zu reden.
    Bei einem Telegrafenamt ließ er die Droschke anhalten. Er brauchte nur wenig Zeit, um den Text zu verfassen, da er nur aus zwei Kodewörtern und seinem ebenfalls kodierten Namen bestand. Er hinterließ den Auftrag, ihm sofort einen Boten zu schicken, falls eine Antwort eintraf, und eilte wieder hinaus. Kurz darauf hielt die Droschke vor seinem Haus. Fogg wartete ein paar Minuten lang, ehe er eintrat. Die Frontseite sah so aus wie zum Zeitpunkt seiner Abreise. Der Lichtschein von Passepartouts Gasflamme drang durch einen schmalen Schlitz zwischen dem Fensterbrett und dem Fensterladen. Fogg führte Aouda leise ins Haus. Beide hielten Revolver schußbereit. Fogg hatte die Waffen nach England eingeschmuggelt und seinem Verbrechen der Piraterie auf hoher See ein weiteres hinzugefügt. Eine sorgfältige Begutachtung eines jeden Zimmers enthüllte nichts Ungewöhnliches.
    Wenig später traf Passepartout mit den Lebensmitteln ein. Er stellte die Tüten in der Vorratskammer ab und stürzte die Treppe hinauf in sein Zimmer. Fogg hatte die Gasflamme nicht gelöscht, da er die berechtigte Auffassung hegte, das sei Sache seines Dieners. Passepartout streckte die Hand aus, um den Hahn zuzudrehen, unterbrach jedoch seine Bewegung. Warum jetzt abdrehen, da er das Gas brauchte?
    Er ging nach unten und holte die Post aus dem Briefkasten. Mit einem Blick auf die Rechnung des Gaswerks stellte er fest, während ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen, daß er niemals in der Lage sein würde, seine Schuld zu begleichen, außer er verzichtete auf den Lohn für So Tage und zahlte noch etwas drauf.
    Der prinzipientreue Mr. Fogg, obzwar ein Held, würde die Kosten keinesfalls selbst tragen.
    Die Nacht kroch qualvoll langsam vorüber. Aouda suchte in ihrem Zimmer vergeblich den Schlaf. Fogg saß in seinem Zimmer im Sessel und kämpfte sich durch das Labyrinth seines Bewußtseins. Er mußte so behutsam vorgehen wie ein Elektriker, der in einem Gewirr von Hochspannungskabeln einen falschen Anschluß finden will. Ein einziger Fehler konnte ihn verkrüppeln oder gar töten. Bisweilen durchlief ein Zittern seinen Körper. Seine Pupillen verengten oder weiteten sich. Seine Nasenflügel Bebten. Seine Ohren und die Kopfhaut zuckten. Seine Finger krallten sich in die Armlehnen des Sessels, als wolle er das Leder zerfetzen. Sein ganzer Körper war in Schweiß gebadet.
    Gelegentlich stöhnte er auf. Schmerz, Haß, Ekel, Verachtung und Entsetzen verzerrten abwechselnd seine Miene. Lautlos formten seine Lippen Worte, die er schon längst hätte aussprechen sollen. Manchmal erstarrte sein Körper und zuckte wie bei einem epileptischen Anfall. Manchmal hing er so schlaff im Sessel wie ein soeben Dahingegangener.
    Passepartout hielt vor der Tür seines Herrn Wache, bis die Morgendämmerung heraufzog. Vernahm er Geräusche und Laute, die so klangen, als füge sich Fogg irgendein Leid zu oder bringe sich gar ums Leben, war es seine Aufgabe, ins Zimmer zu eilen und einzugreifen. Doch er hörte nichts dergleichen, obwohl er einige Male kurz vor dem Entschluß stand, nach dem Rechten zu sehen.
    Kurz nach Anbruch der Dämmerung spähte Passepartout durchs Schlüsselloch und sah Fogg in seinem Bett schlafen. Die Krise war vorbei, wenigstens für diese Nacht. Fogg hatte ihn unterrichtet, daß es mindestens drei Sitzungen erfordern werde, einen Großteil des schwersten traumatischen Materials zu entladen.
    Der Franzose zog sich daraufhin ins eigene Zimmer zurück, um sich selbst einer Therapie zu unterziehen. Da er wesentlich weniger Selbstbeherrschung besaß als Fogg (und wer hätte das nicht?), ihm dafür jedoch ein Temperament zu eigen war, das Unlustgefühle erheblich leichter auf

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