Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
haben, auf die ich im dritten Teil dieses Buches noch genauer zu sprechen kommen werde. Grundsätzlich aber gilt: Überlastungen führen beim Brain-Pull langfristig zu Folgeschäden. Die Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit, die Energie ins Gehirn zu leiten, führt wie bei einer stark befahrenen Autobahn, die, vom Schwerlastverkehr strapaziert, reparaturbedürftig wurde, dazu, dass nun der Verkehrsstrom nicht mehr optimal bewältigt werden kann …
Ein Polizeihubschrauber schwebt über der Autobahn A1. Der Besatzung bietet sich das Bild eines Megastaus: 25 Kilometer lang erstreckt er sich vor einer Tagesbaustelle in Richtung Ostsee. An diesem sonnigen Strandtag zieht es viele Hamburger ans Meer. Gleichzeitig beginnen in zwei weiteren Bundesländern die Sommerferien. Im Bereich der Baustelle ist zudem noch ein Fahrzeug mit einer Panne liegen geblieben. Die Planer hatten versäumt, eine Parkbucht einzurichten, in die der Fahrer hätte ausweichen können. Jetzt blockiert sein Wagen eine der beiden verengten Fahrspuren. Chaos breitet sich aus.
Unfälle, fehlerhaftes Baustellenmanagement, Defizite in der Verkehrsplanung sind die Ursachen – aber auch kleine Unregelmäßigkeiten, wie plötzliches Bremsen bei dichtem Verkehr, können zur Staubildung führen. Die Folgen kennen wir alle: Aufregung und Hektik, Zwangspausen auf Parkplätzen, Verspätungen, ratlose Autofahrer, die aussteigen, um herauszufinden, wann es weitergeht. Vom Helikopter aus kann man die Situation gut beobachten: Die Fahrzeugschlange wächst und wächst, nach hinten Richtung Hamburg. Stellt man sich einen Verkehrsstau grafisch in Form von zwei gegenläufigen Kräften vor, würde man sehen, dass sich der Pfeil, der den Verkehr darstellt, nach vorne bewegt. Je langsamer seine Bewegung wird, desto mehr Kraft geht in den zweiten Pfeil: den Stau. Er breitet sich nach hinten aus und zwingt immer mehr Autofahrer, das Tempo zu verlangsamen und schließlich anzuhalten. Doch was hat zu dem Verkehrschaos geführt? Der Lübecker Mathematiker Dirk Langemann formuliert die wichtigste Gesetzmäßigkeit des Phänomens: »Die Ursache eines Staus liegt vor einem und nicht hinter einem.« Das klingt zunächst nur wenig überraschend. Jeder, der im Stau steht und aussteigt, schaut nach vorne, um zu ergründen, warum es nicht weitergeht. Niemand würde auf die Idee kommen, nach hinten zu blicken, oder die Stauursache im Kofferraum seines Fahrzeugs vermuten. Wozu also das Offenkundige betonen, dass ein Stau immer von vorne nach hinten entsteht?
Energiestau im Körper
Was eine im Straßenverkehr offensichtliche Gesetzmäßigkeit ist, hat in der Medizin nicht unbedingt zu den gleichen Schlussfolgerungen geführt; und das, obwohl es interessanterweise im Körper Situationen gibt, die durchaus mit einem Stop-and-Go auf einer Autobahn in der Hauptreisezeit vergleichbar sind. Wenn der Brain-Pull gestört ist, kommt es in puncto Glukose zu einem regelrechten Energieengpass in der Gehirnversorgung. Auf der Suche nach möglichen Stauursachen hat die medizinische Wissenschaft lange an wenig erfolgversprechenden Stellen geforscht: in der Fettzelle, in der Muskelzelle, der Bauchspeicheldrüse oder der Leber. Doch folgen wir dem Prinzip, dass die Stauursache sich immer vorne befindet, kann es nur eine Antwort geben: Sie muss im Gehirn liegen. Dorthin bewegt sich die Energie wie eine Blechkarawane, die in der Hauptreisezeit in Richtung Meer zieht. Von dort staut sie sich zurück in den Körper, wenn sie sich staut.
Wie bei einer Verkehrsstörung auf der Autobahn geht es auch beim Energiestau im Körper um Inkompetenz. Im wörtlichen Sinne bezeichnet der Begriff die eingeschränkte Fähigkeit, sich gegen einen Mitbewerber durchzusetzen. Und genau das passiert bei einer leichten Brain-Pull-Schwäche, an der viele Menschen leiden – oft ohne es zu ahnen. Ihr Gehirn kann sich bei der Energieverteilung nicht gegen den Körper durchsetzen. Wie bereits angedeutet: Im Verkehrsnetz entstehen Staus häufig durch reparaturbedürftige Fahrbahnen, die erneuert werden müssen. Auch im Körper spielt bei einer Störung der Energieversorgung Verschleiß eine Rolle. Meist sind es häufig wiederkehrende Stresserlebnisse – etwa in der Familie, der Partnerschaft oder dem Berufsleben – und die damit verbundenen Kortisolschübe, die der Brain-Pull-Regulierung zugesetzt haben. »Wear and Tear«, mit dieser idiomatischen Redewendung, für die es in der deutschen Sprache keine treffende
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