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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Peters
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Übersetzung gibt, bezeichnet

    Abbildung 3

    Stau in der Lieferkette des Gehirns – Wie ein geschwächter Brain-Pull zu Übergewicht und Typ-2-Diabetes führt.
    Der Brain-Pull ist die Kraft, mit der das Gehirn Energie aus den Körperspeichern im Fett- und Muskelgewebe zieht. Verliert der Brain-Pull an Kompetenz, lässt sich das Gehirn vorwiegend nach dem Push-Prinzip versorgen: Das Glukoseangebot im Blut bestimmt zunehmend den Energiefluss zum Gehirn. Was aber wäre, wenn der Blutzuckerspiegel absinkt? In diesem Fall droht eine akute Energiekrise im Gehirn. Um so eine Situation zu vermeiden, stärkt das Gehirn den Body-Pull – statt also (wie beim Brain-Pull) auf vorhandene Energiedepots zurückzugreifen, wird die Nahrungszufuhr (Body-Pull) erhöht.
    Die hier beschriebene Brain-Pull-Inkompetenz stellt einen gravierenden Eingriff in die Energie-Lieferkette des Gehirns dar. Eine Lieferketten-Störung breitet sich grundsätzlich entgegen der Energieflussrichtung aus – also vom Gehirn in Richtung Körper. Und das hat Folgen: Der Kompetenzverlust des Brain-Pulls schwächt das Energiemanagement der Lieferkettenstation »Gehirn«. Um den Bedarf zu decken, muss das Gehirn mehr Energie von außen anfordern, als es tatsächlich braucht. Es entstehen Glukose-Überkapazitäten im Blut, die sich zurück ins Körpergewebe stauen – die Energie häuft sich im Fettgewebe und verursacht auf Dauer Übergewicht. Der Glukosestau im Blut führt zu erhöhten Blutzuckerwerten und langfristig zu Diabetes mellitus Typ 2.
    der amerikanische Stressforscher Bruce McEwen das Phänomen. Was der Wissenschaftler genau damit meint, erklärte er mir so: »Es geht darum, was geschieht, wenn etwas oft und stark gebraucht wird, zum Beispiel ein Auto mit einer zerkratzten und verbeulten Karosserie, eine stark genutzte Aktentasche oder ein Paar Schuhe, die ausgelatscht und an Ferse und Sohle bereits abgelaufen sind.« Auf den Menschen bezogen meint er den Verschleiß von Körper und Gehirn, der dadurch entsteht, dass das Stresssystem permanent überaktiviert wird oder durch Überlastung seine schützende Eigenschaft verliert. Wir erinnern uns an die mächtige Wirkung des Kortisols auf unser Stresssystem und die damit verknüpfte Brain-Pull-Funktion. McEwen entdeckte, dass unser Gehirn ein Kortisolgedächtnis hat. Jede übermäßige Ausschüttung des Stresshormons wird gespeichert und kann zu neuronalen Veränderungen führen, die den Brain-Pull dauerhaft entkräften. Aber dazu später mehr.
    Zunächst führt die erworbene Energie-Inkompetenz des Gehirns dazu, dass es Schwierigkeiten hat, sich im Wettstreit mit dem Körper um die Energieressourcen durchzusetzen. Es wird für das Gehirn immer schwieriger, an Glukose zu kommen, weil es seine Energie nicht mehr gezielt aus den Körperreserven ziehen kann. Seine Kontrolle über die Insulinausschüttung wird schwächer. Kennzeichnend für diese Situation ist, dass die Blutinsulinwerte viel zu hoch sind. Immer mehr Glukose wandert geradewegs mit Hilfe dieses Speicherhormons in das Muskel- und Fettgewebe, statt das Gehirn mit Energie zu versorgen. Doch das Gehirn kann und darf dem Energiehunger des Körpers keinesfalls unterliegen. Es gilt, das »Gehirn-zuerst-Prinzip« durchzusetzen – um nahezu jeden Preis. Das evolutionär so genial konstruierte Brain-Pull-System setzt seinen Notfallplan B in Kraft: mehr essen. Der Body-Pull wird jetzt immer schneller und immer öfter aktiviert. Und er dient nicht mehr vorrangig dazu, die Energiedepots aufzufüllen, sondern das Blut direkt mit Zucker anzureichern. Als erste Amtshandlung verfügt der Body-Pull, der nun als Stellvertreter agiert, dass ein künstlich geschaffenes Energieüberangebot im Blut herrscht. Das Primat, sich aus den körpereigenen Ressourcen zu versorgen, hat sich gewandelt – in eine auf äußere Ressourcen ausgerichtete Beschaffungsstrategie.
    Am besten lässt sich dieser Krisenplan des Gehirns als ein »Akt der Selbstregulation und Selbstheilung« unter ungünstigen Umständen beschreiben. Indem das Gehirn den Körper auf eine erhöhte Nahrungsaufnahme umstellt, hat es mittelfristig seine eigene Versorgungskrise abgewendet – doch zu welchem Preis? Wie sich eine beginnende Brain-Pull-Störung auswirkt, lässt sich an einem einfachen Beispiel veranschaulichen. Nehmen wir an, wir essen zum Frühstück zwei Brötchen. Bei gesundem, kompetentem Brain-Pull wird die Nahrungsenergie geteilt – ein Brötchen für das Gehirn, das andere für den

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