Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Vorwürfe, ihnen erteilen wir Ratschläge wie: »Wer Übergewicht hat, sollte eben weniger essen!« Sätze wie diese sind schnell gesagt, sie setzen sich in unseren Köpfen fest und prägen unseren Blick auf Übergewichtige. Eine Revision dieser Sichtweise zu erwirken ist erfahrungsgemäß schwierig. Dennoch sollte genau dies unser Ziel sein: den Fall »Übergewicht und seine Ursachen« wieder aufzurollen, alle Beweismittel auf den Tisch zu legen, genau zu betrachten und neu zu bewerten.
Im Eingangskapitel habe ich die Frage aufgeworfen, woran es liegen könnte, dass die Menschen immer dicker werden. Inzwischen wissen wir, dass sich Übergewichtige tatsächlich in einer »inneren« Krise befinden – sie leiden an einer Energieverteilungsstörung. Während ihr Gehirn in normalem Maß mit Energie versorgt wird, herrscht in ihrem Körper ein Energieüberschuss. Wir haben außerdem erfahren, dass dieser Energieverteilungsstörung eine Brain-Pull-Inkompetenz zugrunde liegt, und zwar ausnahmslos. Wer also behauptet, dass Übergewicht lediglich eine Folge übermäßiger Nahrungsaufnahme sei, ignoriert die wahren Ursachen und liefert keine Antwort auf die Frage, warum die Energie im menschlichen Organismus so ungleich auf Gehirn und Körper verteilt wird. Wenn sich ein Mensch mit Übergewicht dazu entschließt, weniger zu essen, um abzunehmen, versucht er ein Symptom zu beseitigen, ohne die Ursache zu berücksichtigen. Bei einer Brain-Pull-Inkompetenz kann unser Stresssystem entweder nicht zurück in seine Ruhelage, oder seine Ruhelage hat sich verschoben. Das heißt: Ein inkompetenter Brain-Pull zeigt uns an, dass wir Schwierigkeiten haben, unser Stresssystem ins Gleichgewicht zu bringen und so in unseren Wohlfühlbereich zurückzukehren. Wenn wir dies als eigentliche Ursache für Übergewicht erkennen, wird sich die Fragestellung automatisch verändern: Denn es geht nicht darum, was ein übergewichtiger Mensch tun kann, um abzunehmen. Wir müssen uns vielmehr fragen, was wir tun können, damit unser Stresssystem wieder in seine stabile Ruhelage kommt und wir so wieder in unseren Wohlfühlbereich zurückfinden. Dann und nur dann besteht die Aussicht, dass unser Gehirn eine energetische Balance erreicht, in der es nicht als Notlösung darauf angewiesen ist, immer mehr zu essen.
Wenn ein Computer streikt, gibt es drei mögliche Ursachenfelder: Hardware-Defekte, Softwarefehler – oder Falschsignale, wie etwa Computerviren. Da unser Gehirn gewisse Ähnlichkeiten mit großen Rechenmaschinen aufweist, lassen sich die Ursachen von Brain-Pull-Inkompetenzen nach dem gleichen anschaulichen Prinzip einteilen. Zunächst betrachten wir in diesem Kapitel, was passiert, wenn nicht die Programmierung (Software) des Gehirns fehlerhaft ist, sondern die Festplatte (Hardware), also das Gehirn selbst, Beschädigungen aufweist. Auf Software-Defekte oder gar Falschsignale, welche die Programme des Gehirns ebenfalls erheblich beeinträchtigen können, werde ich in den nächsten Kapiteln noch zu sprechen kommen.
Petr Subotic ist ein Mann von 25 Jahren. Mit 17 war er schlank und durchtrainiert, ein Handballspieler mit Potential zum Profi. Heute kommt ihm dieses frühere Ich unwirklich vor. Nach einem Motorradunfall hat sich sein Körper in einem Maße gewandelt, für das ihm jede Vorstellungskraft fehlte. Heute ist Subotic stark übergewichtig. Gehen fällt ihm schwer, und Treppensteigen ist eine Anstrengung, die ihm Pausen zwischen den Stockwerken abverlangt. Dabei schien es, als könne Petr Subotic wieder an sein Leben vor dem Unfall anknüpfen. Denn er behielt keine offensichtlichen Schäden zurück. Schon bald musste er jedoch feststellen, dass sich seine sportliche Leistungsfähigkeit nicht wieder einstellte. Er nahm stetig an Gewicht zu, ermüdete schnell, war oft unkonzentriert, reizbar und verfiel immer öfter in depressive Stimmungen. Bald musste er das Training ganz aufgeben, weil er die Anforderungen nicht mehr erfüllen konnte. Die Ärzte, die ihn bisher behandelten, vermuteten einen genetischen Defekt als Ursache – bis die serbische Wissenschaftlerin Vera Popovic in der endokrinologischen Klinik der Universität Belgrad auf seinen Fall aufmerksam wurde. Sie fragte ihn, ob er bereit wäre, an ihrer Studie zum Körperstoffwechsel teilzunehmen. Subotic willigte ein.
Die Endokrinologin analysierte seine Blutwerte, um den Hormonhaushalt zu bestimmen. Dabei kontrollierte sie insbesondere die Konzentration des Wachstumshormons HGH
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