Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
schützen, bis als letzter Ausweg nur die Bewusstlosigkeit bleibt. Ein Alkoholrausch kann zu solch einem dramatischen Absinken des Glukosestoffwechsels im Gehirn führen. Viele Diabetespatienten erklärten mir, dass sie die Symptome einer Glukosekrise von den Anzeichen eines Alkoholrausches nicht unterscheiden könnten – beides fühle sich für sie gleich an.
Beim Alkoholgenuss werden über die GABA -Rezeptoren nicht nur die globale Hirnfunktion, sondern auch das Stresssystem und damit der Brain-Pull gedämpft. Dann fordert das Gehirn weniger Energie aus dem Körper ab. Folglich wird mehr Insulin ausgeschüttet, und die Speicher öffnen sich. Energie, die eigentlich im Gehirn gut gebraucht werden könnte (neuroglukopenische Symptome!), wird stattdessen in die Körperdepots abgeführt. Im Gegensatz zu anderen Drogen, die ebenfalls über beruhigend wirkende Falschsignale den Stoffwechsel auf Energiespeicherung programmieren, enthält Alkohol selbst große Kalorienmengen, ist also ein Energieträger. Dadurch erhöht sich die Menge der abzuspeichernden Energiemengen deutlich.
Doch damit ist die Liste der Falschsignale, die durch den Genuss von Alkohol in Gang gesetzt werden, noch nicht abgeschlossen. Denn auch beim Trinken wird Dopamin freigesetzt, es kommt also zu einer ungerechtfertigten Belohnung. Das Gehirn aber bewertet unter dem Einfluss des Dopamins die Umstände seiner Ausschüttung als positiv und speichert sie ab. Diese Umstände sind nicht selten geselliger Art. Möglicherweise erklärt diese durch Dopamineinfluss geförderte Konditionierung, warum Betriebsfeiern, Partys, Diskobesuche oder Vernissagen ohne den Ausschank von Alkohol den meisten Menschen undenkbar erscheinen.
Aus all den genannten Gründen spielt Alkohol als mehrfaches Falschsignal eine nicht unerhebliche Rolle bei der globalen Übergewichtsepidemie. Soziale und berufliche Niederlagen gehen häufig mit hohem Alkoholkonsum einher. Da Alkohol dazu beiträgt, den Brain-Pull zu dämpfen, sind bei vielen Menschen, die regelmäßig größere Mengen trinken, die Insulinwerte deutlich erhöht. Ein Großteil der Energie aus dem Alkohol und der Nahrung wird in den Fettdepots abgespeichert. Um die Energieversorgung trotzdem zu gewährleisten, wird noch mehr gegessen. So kann erhöhter Alkoholkonsum auch zu einem Übergewichtsproblem führen.
Was ist also eigentlich noch normal? Tatsache ist, dass wir alle in einer Welt der Falschsignale leben. Sie stecken in industriell gefertigten Nahrungsmitteln, in unseren Trinkgewohnheiten, in Medikamenten, in den Alltagsfluchten der illegalen Drogen. Jeder von uns speist sein Gehirn mit Falschsignalen – der eine mehr, der andere weniger. Wir bombardieren unser Gehirn mit Botschaften, die es falsch deutet und die zu fehlerhaften Programmierungen führen. Was aber können wir dagegen tun? Am besten wäre es natürlich, sich von Falschsignalen fernzuhalten. Bei einigen, wie zum Beispiel den Süßstoffen, ist dies leicht machbar, denn Süßstoffe sind auf den Lebensmittelverpackungen aufgeführt. Bei anderen, wie beispielsweise den Opiaten, die bei extrem starken Schmerzen verabreicht werden, ist es schon schwieriger. Abgesehen davon ist mit den hier genannten chemischen Substanzen die Liste der Falschsignale noch lange nicht zu Ende – auf diesem Gebiet der Chemie besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Falschsignalen komplett aus dem Weg zu gehen ist daher illusorisch; der kompetente und kritische Umgang mit ihnen hingegen ist ein realistisches und erstrebenswertes Ziel. Nicht nur wir selbst würden davon profitieren, sondern auch unsere Kinder, an die wir diesen bewussteren Umgang mit Falschsignalen weitergeben können. Auf Dauer gibt es dazu keine Alternativen: Denn Falschsignale schränken die Verhaltensflexibilität des Brain-Pulls ein. Wie bei einem Mitarbeiter, dem man zu viele und widersprüchliche Anweisungen gibt, verliert der Brain-Pull seine Sicherheit und seine Urteilsfähigkeit, und dann lässt er zwangsläufig in seiner Arbeitsleistung nach. In der Berufswelt leidet unter einem derartigen Missmanagement am Ende die ganze Firma. Im Fall des geschwächten Brain-Pulls tragen Gehirn und Körper die Folgen. Und Übergewicht ist nur eine davon.
Die wahren Ursachen von Übergewicht erkennen und bekämpfen
Dem Tiger geht es schlecht und er fällt vorm Wald einfach auf den Boden. Sein Freund, der Bär, trägt ihn nach Hause und verspricht: »Ich mach dich gesund.« Er verbindet und bekocht ihn. Als
Weitere Kostenlose Bücher