Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
der Zustand sich nicht verbessert, kommen Tante Gans und der Hase mit den schnellen Schuhen ihn besuchen. Der Hase mit den schnellen Schuhen rät dem Tiger, ins Krankenhaus für Tiere zu gehen. Am nächsten Tag wird der Tiger abgeholt und alle seine Freunde begleiten ihn zum Krankenhaus. Doktor Brausefrosch stellt fest, dass dem Tiger ein Streifen verrutscht ist. Nach der Operation wird der Tiger wieder von all seinen Freunden nach Hause gebracht.
Das Kinderbuch Ich mach Dich gesund, sagte der Bär von Janosch erzählt vom Kranksein. Es handelt vom Krankenhaus, von einem Arzt und einer Diagnose, von einer Operation und der folgenden Genesung. Es geht um Fürsorge und Pflege, um die Anteilnahme von Freunden, die sich rührend um den Patienten kümmern und ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hauptfigur dieser kleinen Geschichte ist aber nicht der kranke Tiger, sondern der aufopferungsvolle Bär. Er kümmert sich um den Kranken, überlegt, was er für ihn tun kann, fragt nach seinen Wünschen und kocht seine Lieblingsgerichte. Der Tiger begibt sich fast genießerisch in die Rolle des Pflegebedürftigen, der verrutschte Streifen und die Operation werden zur Nebensache. In dieser Passivität des Tigers und dem Versprechen des Bären, ihn gesund zu machen, tritt eine Haltung zutage, die uns auch in der Wirklichkeit begegnet. Denn sie prägt nach wie vor das Verhältnis von Patient und Arzt.
Was erwarten wir eigentlich, wenn wir uns mit einem gesundheitlichen Problem an einen Arzt wenden? Natürlich Hilfe, am besten Heilung, wenigstens aber das Versprechen, wieder gesund zu werden. Der Patient schildert die Symptome, er beantwortet Fragen des Arztes und erwartet eine Diagnose, eine Therapie, ein Rezept. Die Rollen sind klar verteilt. Während der Arzt aktiv heilt, wartet der Patient passiv ab. Dieses Rollenverständnis drückt sich auch sprachlich aus, da die beiden Wörter »Patient« und »passiv« den gleichen Wortstamm haben: lat: ›passio‹ – das ›Leiden‹. Dieser Erwartungshaltung wird in vielen Gebieten der modernen Medizin bis heute Vorschub geleistet. Die medikamentengestützte Medizin reduziert die Mitarbeit des Patienten – die Compliance – auf die regelmäßige Einnahme von Tabletten und das Erscheinen zu gelegentlichen Kontrolluntersuchungen. Die Chirurgie wiederum verspricht Abhilfe durch einen Eingriff – eine OP , folgende Rekonvaleszenz, und dann ist das Problem gelöst. Bei vielen Erkrankungen sind Behandlungen mit Medikamenten oder Operationen unbestritten erfolgreich. Was aber, wenn dieses therapeutische Angebot nicht ausreicht? Es gibt Erkrankungen, bei denen die moderne pharmakologische und chirurgische Medizin sich in einer Sackgasse zu befinden scheint. Übergewicht ist so ein Sackgassen-Problem. Pharmakologische Konzepte sind grandios gescheitert, operative Methoden bergen ungeklärte Risiken und Nebenwirkungen. Wie aber könnte ein anderer Weg bei der Behandlung von Übergewicht (und der damit verbundenen Folgeerkrankungen) aussehen? Welche »Arbeitsteilung« zwischen Patient und Arzt oder Therapeut hilft in diesem Fall wirklich weiter?
Ein neues Therapieprinzip zur Behandlung von Übergewicht ergibt sich aus der Selfish-Brain-Theorie: Entscheidend ist dabei die Erkenntnis, dass Übergewicht entsteht, wenn die Balance zwischen hirnenergetischer und emotionaler Homöostase gestört ist. Da unser Stresssystem maßgeblich dafür verantwortlich ist, ob wir uns in unserer emotionalen Homöostase befinden, besteht eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie darin, dass unser Stresssystem in seine stabile Ruhelage kommen kann. Und zwar ohne dass wir dafür auf Hilfsstrategien wie vermehrte Nahrungsaufnahme oder die Einnahme von Medikamenten oder Drogen zurückgreifen müssten. Gelingt es dem betroffenen Menschen schließlich, seine hirnenergetische und seine emotionale Homöostase (also die Ruhelage des Stresssystems) wiederherzustellen, ergibt sich als ein Nebeneffekt die Normalisierung seines Körpergewichtes. Da also das Hauptziel dieser Therapie zur Behandlung von Übergewicht nicht vorrangig darin besteht, Körpergewicht abzubauen, sondern zur eigenen emotionalen Homöostase zurückzufinden, ist es nicht verwunderlich, dass Gefühle im Zentrum dieser Behandlungsstrategie stehen.
Ein nüchterner, klinisch anmutender Raum auf dem Campus der University of Southern California in San Francisco. Zwölf Jungen und Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren sitzen sich in
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