Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Regeln:
Wenn du dich vom Wohlfühlbereich entfernst und nicht zurückkannst – so ändere dein Verhalten.
Wenn du im Wohlfühlbereich bist – so behalte dein Verhalten bei.
Das Pantoffeltierchen ändert mit Hilfe seines »Richtungswechslers« genau dann seine Bewegungsrichtung, wenn ihm die Temperatursensoren für Wärme und Kälte anzeigen, dass es seinen Wohlfühlbereich verlassen hat. Ist die Wassertemperatur hingegen angenehm, verharrt das Tierchen einfach dort, wo es gerade ist. Seitdem die Evolution mit den Einzellern die ersten Lebewesen schuf, hat sich an diesem Verhaltensmuster wenig geändert. Natürlich ist das menschliche Verhaltensrepertoire wesentlich vielseitiger, und es geht auch nicht um einen so einfach zu bestimmenden Faktor wie die richtige Wassertemperatur. Aber das Grundprinzip ist das Gleiche. Die menschlichen Wohlbefindlichkeitssensoren messen die Energiekonzentrationen im Gehirn und die Stressreaktion auf Erlebtes. Wenn der Mensch sich außerhalb seiner Wohlfühlzone befindet, zeigen ihm seine beiden Kortisolrezeptoren ( GR und MR ) an, dass er sich im Hoch-Kortisol-Stressbereich oder im Niedrig-Kortisol-Mangelbereich befindet.
Auch wenn die Wirklichkeit oft sehr viel komplizierter ist, soll hier zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel dienen: Ein Schüler fühlt sich von einem neuen Lehrer ungerecht behandelt. Er verspürt autoritären Druck, seine Leistungen lassen nach. Diese Situation löst in ihm Gefühle von Wut, Ärger und Enttäuschung aus. Druck und folgender Leistungsabfall haben das Stresssystem des Schülers in einen Unruhezustand versetzt – er befindet sich in einer Zone außerhalb des Wohlfühlbereichs. Deshalb sollte er nun wie das Pantoffeltierchen die Richtung wechseln. Wie wir bereits wissen, geht die Aktivierung des Stresssystems bei Niederlagen oder misslungenen Verhaltensstrategien mit negativen Gefühlen wie Angst, Unsicherheit und Enttäuschung einher. Diese negativen Gefühle sind jetzt wichtig. Denn nur in diesem Zustand verhindert der GR die Festschreibung von unangemessenem Verhalten und unvorteilhaften Lebensstrategien ins Gedächtnis. Die Lehren, die wir aus Niederlagen ziehen, sind ebenso wichtig wie das Erlernen von Erfolgsstrategien. Wenn also Wut, Enttäuschung und Angst vorherrschen, macht der GR den Weg frei für eine Verhaltensänderung und das Einschlagen einer neuen Richtung. Im Fall des Schülers könnte dies ein klärendes Gespräch mit dem Lehrer sein. Vielleicht ist man nur schlecht gestartet? Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Gesprächsbereitschaft und die Einsicht des Schülers das Bild des Lehrers positiv verändern und die Gefühlslage entspannen, also möglicherweise beide ihrer Wohlfühlzone wieder näher bringen. Gelingt diese aktive Umorientierung, wird der andere Kortisolrezeptor (der MR ) anzeigen, dass das Stresssystem wieder in seine Ruhelage (Niedrig-Kortisol-Bereich) zurückgekehrt ist. Dieser Zustand erlaubt positive Gefühle wie Erleichterung, Stolz und Ruhe. Das spüren wir auch, wenn wir uns zum Beispiel nach einem Streit mit einem geliebten Menschen wieder versöhnt haben.
Der MR sorgt dafür, dass im Tiefschlaf all die Strategien und Programme, die uns das Erreichen dieses Wohlfühlzustands ermöglicht haben, gesichert und festgeschrieben werden. Damit wir sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufen können. Es besteht allerdings keine Garantie, dass diese erlernten Strategien uns davor bewahren, nicht wieder in eine ähnliche Konfliktsituation zu geraten – aber sie ermöglichen uns, besser und versierter damit umzugehen.
Glücksgefühle
Wir wissen zwar nichts über das Gefühlsleben der Pantoffeltierchen, aber es ist legitim anzunehmen, dass das Streben nach der Wohlfühlzone eines seiner höchsten Lebensziele darstellt. Wir Menschen sind anspruchsvoller. Wir trachten nach Höherem, »nur« entspannt zu sein genügt uns nicht. Wir wollen möglichst oft glücklich sein. Aber: Wie entstehen eigentlich Gefühle des Glücks? Und was lernen wir aus ihnen?
Unser Belohnungssystem funktioniert nach zwei Regeln: Im Falle eines unerwarteten Erfolges greift das alte Prinzip, das schon die Einzeller seit Urzeiten verfolgen – das Streben in die Wohlfühlzone. Ein Beispiel, das der Veranschaulichung dienen soll: Nach ihrer Scheidung fühlt sich Frau M. einsam. Was die Situation für sie besonders schmerzhaft macht, ist die Tatsache, dass sie keine Freundin hat, mit der sie sich austauschen könnte. Tatsächlich
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