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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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erzielen aber beide Seiten gewöhnlich hohe Punktzahlen.
    Wo es um „Wie du mir, so ich dir“ und andere nette Strategien geht, ist schon das Wort „Gegner“ unangebracht. Doch wenn Psychologen echte Menschen das Wiederholte Gefangenendilemma spielen lassen, verfallen leider fast alle Spieler dem Neid und erzielen daher in bezug auf Geld relativ niedrige Gewinne. Es sieht so aus, als wollten viele Menschen, vielleicht ohne auch nur darüber nachzudenken, eher den anderen Spieler zugrunde richten, als mit ihm zusammenarbeiten, um die Bank zu schädigen. Axelrods Untersuchungen haben gezeigt, welch ein Fehler dies ist.
    Es ist nur bei bestimmten Arten von Spielen ein Fehler.
    Spieltheoretiker unterteilen alle Spiele in „Nullsummenspiele“ und „Nichtnullsummenspiele“. Bei einem Nullsummenspiel ist ein Gewinn für den einen Spieler ein Verlust für den anderen. Schach beispielsweise ist ein Nullsummenspiel, denn das Ziel jedes Spielers ist, zu gewinnen, und das bedeutet, er muß dafür sorgen, daß der andere Spieler verliert. Das Gefangenendilemma jedoch ist ein Nichtnullsummenspiel. Es gibt eine Bank, die Geld auszahlt, und die beiden Spieler können sehr wohl Arm in Arm lachend den ganzen Weg bis zur Bank gehen.
    Dieser Ausdruck, daß sie lachend den ganzen Weg bis zur Bank gehen, erinnert mich an eine großartige Zeile bei Shakespeare:
    Das erste, was wir tun: laßt uns alle Rechtsanwälte töten.
      Heinrich VI.,   II. Akt
     
    Zivilprozesse sind „Streitfälle“, in denen es häufig einen breiten Spielraum für Zusammenarbeit gibt. Was wie eine Nullsummen-Konfrontation aussieht, kann mit ein wenig gutem Willen in ein für alle Seiten vorteilhaftes Nichtnullsummenspiel umgewandelt werden. Betrachten wir den Fall von Ehescheidungen. Eine gute Ehe ist offensichtlich ein Nichtnullsummenspiel, das voll von gegenseitiger Zusammenarbeit ist.
    Aber selbst wenn eine Ehe zerbricht, wäre es für das Paar aus zahlreichen Gründen von Vorteil, weiterhin zusammenzuarbeiten und auch seine Scheidung als Nichtnullsummenspiel zu behandeln. Als ob das Wohlergehen der Kinder nicht Grund genug wäre, reißen die Honorare von zwei Rechtsanwälten auch noch ein häßliches Loch in die Familienfinanzen. So wird ein vernünftiges und zivilisiertes Ehepaar offensichtlich zunächst zusammen   einen Rechtsanwalt konsultieren, oder etwa nicht?
    Nun, in Wahrheit ist es nicht so. Zumindest in England und bis vor kurzem auch in allen fünfzig Staaten der USA erlaubt ihnen das Gesetz nicht, sich so zu verhalten, oder genauer gesagt – und bedeutsamer – erlaubt der Berufskodex der Rechtsanwälte es ihnen nicht. Rechtsanwälte dürfen nur einen Ehepartner als Klienten annehmen. Der andere wird abgewiesen und erhält entweder überhaupt keinen rechtlichen Beistand oder ist gezwungen, einen zweiten Rechtsanwalt aufzusuchen. Und dann geht der Spaß los. In getrennten Büros, aber unisono beginnen die beiden Rechtsanwälte unverzüglich, von „uns“ und „ihnen“ zu sprechen. „Uns“, verstehen wir das recht, bedeutet nicht ich und meine Frau; es bedeutet ich und mein Rechtsanwalt gegen meine Frau und ihren Rechtsanwalt. Wenn der Fall vor Gericht kommt, wird er in der Tat als „Schmidt gegen   Schmidt“ aufgerufen! Es wird davon ausgegangen,   daß es ein kontroverser Fall ist, gleichgültig, ob die Ehepartner feindliche Gefühle gegeneinander hegen oder nicht, und gleichgültig, ob sie eigens vereinbart haben, vernünftigerweise freundschaftlich miteinander umzugehen. Und wer hat einen Vorteil davon, daß der Fall als eine „Ich gewinne, du verlierst“Rauferei behandelt wird? Vermutlich nur die Rechtsanwälte.
    Das glücklose Ehepaar ist in ein Nullsummenspiel hineingedrängt worden. Für die Rechtsanwälte jedoch ist der Fall Schmidt gegen Schmidt   ein nettes, fettes Nichtnullsummenspiel,   bei dem die Schmidts die Belohnungen zahlen und sie selbst das gemeinsame Konto ihrer beiden Klienten in sorgfältig kodierter Zusammenarbeit plündern. Beispielsweise machen sie Vorschläge, die, wie sie beide wissen, von der jeweils anderen Seite nicht akzeptiert werden. Dies provoziert einen Gegenvorschlag, von dem sie ebenfalls beide wissen, daß er nicht akzeptabel ist. Und so geht es weiter. Jeder Brief, jeder Telefonanruf, der zwischen den beiden zusammenarbeitenden „Gegnern“ ausgetauscht wird, erhöht die Rechnung um einen weiteren Batzen. Mit einigem Glück läßt sich dieses Vorgehen monate- oder sogar jahrelang

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