Das egoistische Gen
Männchen befruchtet wird, entwickelt es sich immer zu einem Weibchen.
Ein unbefruchtetes Ei entwickelt sich zu einem Männchen. Mit anderen Worten, die männlichen Käfer haben keinen Vater.
Die Eier, aus denen sie entstehen, entwickeln sich spontan, ohne daß ein Spermium in sie eingedrungen ist. Doch anders als bei Bienen und Ameisen muß bei den Borkenkäfern irgend etwas in die Eier eindringen. Diese Aufgabe übernehmen die Bakterien, die so die Entwicklung der unbefruchteten Eier zu männlichen Käfern in Gang setzen. Diese Bakterien sind natürlich genau die Art von Parasiten, die, wie ich argumentiert habe, aufhören sollten parasitär zu sein und mutualistisch werden sollten, gerade weil sie zusammen mit den „eigenen“ Genen des Wirtes in dessen Eiern weitergegeben werden. Letzten Endes werden ihre „eigenen“ Körper wahrscheinlich verschwinden, indem sie völlig mit dem Körper des „Wirtes“ verschmelzen.
Ein aufschlußreiches Spektrum findet man heute noch unter den Hydra-Arten. Hydren sind Süßwasserpolypen: kleine, festsitzende, tentakeltragende Tiere, die Seeanemonen ähneln.
In ihrem Gewebe leben häufig parasitierende Algen. Bei den Arten Hydra vulgaris und Hydra attenuata sind die Algen echte Parasiten, die die Hydren krank machen. Das Gewebe von Chlorohydra viridissima dagegen enthält stets Algen, und diese leisten einen nützlichen Beitrag zum Wohlergehen des Polypen, indem sie ihn mit Sauerstoff versorgen. Und nun wird es interessant: Genau wie wir erwartet hätten, werden die Algen bei Chlorohydra mittels der Hydraeier auf die nächste Generation übertragen. Bei den anderen beiden Arten ist das nicht der Fall. Die Gene der Algen und die von Chlorohydra haben ein gemeinsames Interesse: alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Produktion von Hydraeiern zu steigern. Die Gene der anderen beiden Hydraarten jedoch sind nicht „einer Meinung“ mit den Genen ihrer Algen. Jedenfalls nicht in demselben Ausmaß. Zwar mögen beide Gruppen von Genen ein Interesse am Überleben von Hydrakörpern haben. Aber nur die Hydragene sind an der Fortpflanzung der Hydren interessiert.
So lungern die Algen als schwächende Parasiten herum, statt sich in Richtung auf eine vorteilhafte Kooperation zu entwickeln. Der entscheidende Punkt ist, wie schon gesagt, daß ein Parasit, dessen Gene demselben Schicksal entgegengehen wie die Gene seines Wirtes, alle Interessen dieses Wirtes teilt und schließlich aufhören wird, parasitär zu handeln.
Schicksal ist in diesem Fall gleichbedeutend mit zukünftigen Generationen. Die Gene von Chlorohydra und die Gene der Algen, Käfergene und Bakteriengene können nur über die Eier des Wirtes in die Zukunft gelangen. Daher wird sich bei allen „Berechnungen“, die Parasitengene über ihre optimale Taktik in jeder beliebigen Abteilung des Lebens anstellen, genau oder fast genau dieselbe Taktik als optimal erweisen wie bei ähnlichen „Berechnungen“ der Wirtsgene. Im Fall der Schnecken und der sie parasitierenden Saugwürmer kamen wir zu dem Schluß, daß sie unterschiedliche Schalendicken bevorzugen. Im Fall des Borkenkäfers Xyleborus ferrugineus und seiner Bakterien werden Wirt und Parasit einer Meinung sein, was die bevorzugte Flügellänge und jedes andere Merkmal des Käferkörpers betrifft. Wir können dies voraussagen, ohne irgend etwas Genaueres darüber zu wissen, wozu die Käfer ihre Flügel oder andere Körperteile benutzen. Es folgt einfach aus unserer Überlegung, daß sowohl die Käfergene als auch die Bakteriengene alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um dieselben zukünftigen Ereignisse zu bewerkstelligen – Ereignisse, die für die Verbreitung von Käfereiern vorteilhaft sind.
Wir können diese Argumentation zu ihrem logischen Schluß führen und sie auf normale, „eigene“ Gene anwenden. Unsere eigenen Gene arbeiten nicht zusammen, weil sie unsere Gene sind, sondern weil sie denselben Ausgang in die Zukunft – Spermium oder Ei – haben. Wenn irgendwelche Gene eines Organismus, beispielsweise des menschlichen, einen Weg finden könnten, sich auszubreiten, der nicht über die herkömmliche Spermium- oder Ei-Route führte, so würden sie ihn einschlagen und weniger kooperationsbereit sein. Der Grund ist, daß sie dann von einem anderen Satz zukünftiger Resultate profitieren könnten als die übrigen Gene im Körper. Wir haben bereits Gene kennengelernt, die die Meiose zu ihrem eigenen Vorteil beeinflussen.
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