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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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G-Baustein einer Schnecke identisch. Aber die Sequenz der Bausteine bei einem Menschen ist nicht nur von der einer Schnecke verschieden; sie unterscheidet sich auch – wenngleich nicht so stark – von der Reihenfolge in jedem anderen Menschen (außer in dem besonderen Fall eineiiger Zwillinge).
    Unsere DNA lebt im Innern unserer Körper. Sie ist nicht auf einen bestimmten Teil des Körpers konzentriert, sondern auf die Zellen verteilt. Ein menschlicher Körper besitzt im Durchschnitt eine Billiarde Zellen, und jede einzelne – mit einigen Ausnahmen, die wir vernachlässigen können – enthält eine vollständige Kopie der DNA dieses Körpers. Man kann diese DNA als einen Satz von Instruktionen auffassen, die im Nucleotidalphabet A, T, C, G aufgezeichnet sind und angeben, wie ein Körper gemacht werden soll. Es ist so, als ob es in jedem Raum eines gigantischen Gebäudes einen Bücherschrank gäbe, der die Pläne des Architekten für das gesamte Gebäude enthält. Der „Bücherschrank“ in einer Zelle heißt Zellkern oder Nucleus. Die Baupläne sind beim Menschen auf 46 Bände verteilt – die Zahl ist je nach Art verschieden. Die „Bände“ heißen Chromosomen. Sie sind unter dem Mikroskop als lange Fäden zu erkennen, in denen die Gene aneinandergereiht sind. Es ist nicht leicht und möglicherweise noch nicht einmal sinnvoll, zu entscheiden, wo ein Gen aufhört und das nächste anfängt. Glücklicherweise ist das, wie wir in diesem Kapitel sehen werden, für unsere Zwecke nicht von Bedeutung.
    Ich werde mich auch weiterhin der bildhaften Sprache bedienen und diese nach Belieben mit der Sprache der Realität vermischen. Das Wort „Band“ wird gleichbedeutend mit „Chromosom“ verwendet, „Seite“ einstweilen mit Gen gleichgesetzt, obwohl die Gene weniger deutlich voneinander getrennt sind als die Seiten eines Buches. Mit diesem Vergleich kommen wir ziemlich weit. Wenn er uns schließlich nicht mehr weiterhilft, werde ich andere Bilder einführen. Nebenbei gesagt gibt es selbstverständlich keinen Architekten: Die Instruktionen der DNA wurden von der natürlichen Selektion zusammengestellt.
    Die DNA-Moleküle haben zwei wichtige Funktionen. Erstens replizieren sie sich, das heißt, sie stellen Kopien von sich selbst her. Dies ist seit Anbeginn des Lebens bis heute ohne Pause geschehen, und die DNA-Moleküle sind mittlerweile wirkliche Meister darin. Wenn ein Mensch erwachsen ist, besteht er aus einer Billiarde Zellen; doch bei der Empfängnis existierte er lediglich als eine einzige, mit einer Kopie der Baupläne ausgestattete Zelle. Diese Zelle verdoppelte sich durch Teilung, und jede der beiden Tochterzellen erhielt ihre eigene Kopie der Pläne. In aufeinanderfolgenden Teilungen wuchs die Zahl der Zellen dann auf vier, acht, 16, 32 und so weiter an – bis in die Billionen. Bei jeder Zellteilung wurden die DNA-Pläne getreu kopiert, nahezu ohne jeden Fehler.
    Von der Verdoppelung der DNA zu sprechen, ist eine Sache.
    Eine andere Sache ist die Frage: Wenn die DNA wirklich ein Satz von Plänen für den Bau eines Körpers ist, wie werden die Pläne dann in die Praxis umgesetzt? Dies bringt mich zu der zweiten wichtigen Funktion, die die DNA erfüllt. Sie überwacht mittelbar die Herstellung einer anderen Art von Molekülen – der Proteine. Das im vorigen Kapitel erwähnte Hämoglobin ist nur eines unter einer enormen Vielzahl von Eiweißmolekülen.
    Die codierte Information der DNA, die in dem aus vier Buchstaben bestehenden Nucleotidalphabet aufgezeichnet ist, wird auf einfache mechanische Weise in ein anderes Alphabet übersetzt: das Alphabet der Aminosäuren, aus denen sich die Eiweißmoleküle Buchstabe für Buchstabe zusammensetzen.
    Von der Bildung von Proteinen scheint es noch ein weiter Weg bis zur Herstellung eines Körpers, doch der erste kleine Schritt ist damit getan. Die Proteine stellen nicht nur einen großen Anteil der Körpersubstanz, sie üben auch eine empfindliche Kontrolle über alle chemischen Prozesse innerhalb der Zelle aus, indem sie sie selektiv exakt im richtigen Moment und am richtigen Ort in Gang setzen und stoppen. Auf welche Weise genau dies zur Entwicklung eines Babys führt, werden die Embryologen erst in Jahrzehnten, vielleicht in Jahrhunderten herausgefunden haben. Aber daß es dazu führt, ist eine Tatsache. Bei der Produktion eines Körpers üben die Gene mittelbar die Kontrolle aus. Der Einfluß verläuft ausschließlich in einer Richtung: Erworbene Merkmale werden

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