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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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nun eine Argumentation, die die Aufteilung in Spermien und Eizellen sowie andere Aspekte alle auf dieselbe Weise erklärt. Wir brauchen lediglich vorauszusetzen, daß es zwei Geschlechter gibt, die sich miteinander paaren; weitere Informationen über diese Geschlechter sind nicht notwendig. Von dieser Mindestannahme ausgehend, erwarten wir positiv, daß sich die beiden Geschlechter, so gleich sie einander zu Beginn auch sein mögen, in zwei Geschlechter auseinanderentwickeln werden, die sich auf entgegengesetzte und einander komplementäre Fortpflanzungstechniken spezialisieren. Die Trennung in Spermien und Eizellen ist ein Symptom dieser allgemeineren Aufteilung, nicht ihre Ursache.
     
    3 Diese Idee, zu versuchen, eine evolutionär stabile Mischung von Strategien innerhalb eines Geschlechts zu finden, die durch eine evolutionär stabile Mischung von Strategien in dem anderen Geschlecht ausgeglichen wird, ist inzwischen von Maynard Smith selbst weiter vorangetrieben worden und, unabhängig davon, aber in eine ähnliche Richtung weisend, auch von Alan Grafen und Richard Sibly. Der Beitrag von Grafen und Sibly ist technisch weiter fortgeschritten, der von Maynard Smith dagegen ist leichter mit Worten zu erklären.
    Kurz zusammengefaßt, beginnt er mit der Annahme von zwei Strategien – Behüten und Verlassen –, die von jedem der beiden Geschlechter angewandt werden können. Wie in meinem Modell der Strategien „spröde/leichtfertig“ und „treu/ flatterhaft“ ist von Interesse, welche Kombinationen männlicher Strategien gegen welche Kombinationen weiblicher Strategien stabil sind. Die Antwort hängt von unseren Annahmen über die ökonomischen Lebensbedingungen der Spezies ab. Interessanterweise jedoch erhalten wir, sosehr wir die ökonomischen Voraussetzungen auch variieren, niemals ein vollständiges Kontinuum quantitativ variierender stabiler Resultate. Das Modell neigt dazu, sich bei einem von nicht mehr als vier stabilen Resultaten einzuspielen. Diese vier Resultate werden nach Tierarten benannt, die beispielhaft für sie sind. Es gibt die Ente (Männchen verläßt, Weibchen behütet), den Stichling (Weibchen verläßt, Männchen behütet), die Fruchtfliege (beide verlassen) und den Gibbon (beide behüten).
    Und nun etwas noch Interessanteres. Wie wir aus Kapitel 5 wissen, können ESS-Modelle sich bei jedem von zwei alternativen Resultaten einspielen, die beide gleich stabil sind.
    Das gleiche gilt für dieses Modell von Maynard Smith. Besonders interessant daran ist, daß bestimmte Paare dieser Ergebnisse im Gegensatz zu anderen Ergebnispaaren unter denselben ökonomischen Umständen stabil sind. Beispielsweise sind unter einer Reihe von Umständen sowohl Ente als auch Stichling stabil. Welches der beiden tatsächlich eintritt, hängt vom Zufall ab oder, genauer gesagt, von Zufallsereignissen der Evolutionsgeschichte – von Anfangsbedingungen. Unter einer anderen Reihe von Umständen sind Gibbon und Fruchtfliege beide stabil. Wiederum bestimmt der historische Zufall, welches der beiden Modelle bei einer gegebenen Tierart eintritt.
    Aber es gibt keine Umstände, unter denen sowohl Gibbon als auch Ente stabil sind, und ebenso keine Umstände, unter denen Ente und Fruchtfliege stabil sind. Diese Analyse von Kombinationen zusammenpassender und nicht zusammenpassender evolutionär stabiler Strategien hat interessante Konsequenzen für unsere Rekonstruktionen der Evolutionsgeschichte. Beispielsweise veranlaßt sie uns zu der Erwartung, daß gewisse Sorten von Übergängen zwischen Paarungssystemen in der Evolutionsgeschichte wahrscheinlich, andere dagegen unwahrscheinlich sein werden. Maynard Smith befaßt sich mit diesen historischen Vernetzungen in einem kurzen Überblick über die verschiedenen Paarungsmuster im Tierreich, und er schließt mit der denkwürdigen rhetorischen Frage: „Warum haben männliche Säugetiere keine Milch?“
     
    4 Ich bedaure sagen zu müssen, daß diese Feststellung falsch ist. Sie ist jedoch auf interessante Weise falsch, deshalb habe ich den Fehler stehengelassen und werde mir nun einige Zeit nehmen, um ihn aufzuzeigen. Es handelt sich um einen Fehler derselben Art, wie ihn Gale und Eaves in dem Originalbeitrag von Maynard Smith und Price entdeckt haben (siehe Seite 448, Anmerkung 2). Zwei mathematisch arbeitende Biologen in Österreich, P. Schuster und K. Sigmund, machten auf meinen Fehler aufmerksam.
    Ich hatte die Verhältniszahlen von treuen Männchen zu Schürzenjägern

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