Das egoistische Gen
für jedes Jahr tabellenartig aufgeführt wird, wie viele Male sie in späteren Arbeiten zitiert wurde. Dieser Index ist als Hilfe bei der Suche nach Literatur über ein gegebenes Thema gedacht. Die Ernennungskommissionen der Universitäten haben es sich zur Gewohnheit gemacht, diesen Index als einen groben, aber leicht verfügbaren (zu groben und zu leicht verfügbaren) Maßstab anzulegen, wenn es darum geht, die wissenschaftlichen Leistungen von Stellenbewerbern zu vergleichen. Wenn wir zählen, wie viele Male Hamiltons Arbeiten ab 1964 in jedem Jahr zitiert wurden, so können wir das Vordringen seiner Vorstellungen in das Bewußtsein der Biologen ungefähr verfolgen (Abbildung 5).
Es ist sehr deutlich, daß seine Ideen zu Beginn nicht beachtet wurden. Dann, während der siebziger Jahre, scheint das Interesse an der Verwandtschaftsselektion dramatisch angestiegen zu sein. Wenn es irgendeinen spezifischen Punkt gibt, an dem der Aufwärtstrend beginnt, dann scheint er zwischen 1973 und 1974 zu liegen. Die Aufwärtsbewegung gewinnt dann an Geschwindigkeit bis zu einem Höhepunkt im Jahre 1981. Danach schwankt die Anzahl der Zitierungen pro Jahr unregelmäßig um einen hohen Wert.
Es ist ein memischer Mythos entstanden, demzufolge der Anstoß für die Zunahme des Interesses an der Verwandtschaftsselektion ausschließlich von Büchern kam, die zwischen 1975 und 1976 veröffentlicht wurden. Die graphische Darstellung (Abbildung 5), in der der Anstieg im Jahre 1974 beginnt, scheint diese Idee zu widerlegen. Im Gegenteil, man könnte mit den Fakten eine ganz andere Hypothese stützen, nämlich, daß wir es mit einer jener Ideen zu tun haben, die „in der Luft lagen“, „für die die Zeit reif war“. Unter diesem Blickwinkel würden jene Bücher aus der Mitte der siebziger Jahre eher vom Aufspringen auf einen fahrenden Zug als vom Ingangsetzen einer Bewegung zeugen.
Vielleicht haben wir es in Wirklichkeit mit einer längerfristigen, langsam anrollenden und sich exponentiell beschleunigenden Bewegung zu tun, die viel früher begann.
Eine Möglichkeit, diese einfache Hypothese der exponentiellen Beschleunigung zu testen, besteht darin, die Zitate kumulativ auf einer logarithmischen Skala einzutragen. Jeden Wachstumsprozeß, dessen Wachstumsrate proportional zur bereits erreichten Größe ist, nennt man exponentielles Wachstum.
5 Jährliche Zitierungen von Hamilton !964) im Science Citation Index
Ein typisches Beispiel für einen exponentiellen Prozeß ist eine Epidemie: Jedes infizierte Individuum gibt das Virus über seinen Atem an mehrere Personen weiter, von denen jede wiederum dieselbe Anzahl von Leuten infiziert, so daß die Zahl der Opfer mit ständig wachsender Geschwindigkeit zunimmt. Charakteristisch für eine exponentielle Kurve ist, daß sie zu einer Geraden wird, wenn man sie auf einer logarithmischen Skala einträgt. Bei einer solchen logarithmischen Darstellung ist es nicht erforderlich, aber bequem und üblich, die Werte kumulativ einzuzeichnen. Wenn die Verbreitung von Hamiltons Mem wirklich wie eine um sich greifende Epidemie vor sich ging, so sollten die Punkte bei einer kumulativen logarithmischen Darstellung eine Gerade bilden. Tun sie das?
6 Logarithmus der Zitierungshäufigkeit von Hamilton (1964)
Die in Abbildung 6 dargestellte Linie ist diejenige Gerade, die statistisch gesehen der Punkteschar am besten angepaßt ist. Der scheinbare plötzliche Anstieg zwischen 1966 und 1967 sollte wahrscheinlich als ein durch wenige Daten provozierter unzuverlässiger Effekt, der von der logarithmischen Darstellung gewöhnlich übertrieben wird, ignoriert werden. Danach ist die Graphik keine schlechte Annäherung an eine einzige Gerade, obwohl sich auch geringfügige Überlagerungsmuster feststellen lassen. Wenn meine exponentielle Interpretation akzeptiert wird, dann haben wir es hier mit einer einzigen langsam brennenden Explosion des Interesses zu tun, die von 1967 bis in die späten achtziger Jahre gleichmäßig anhält. Die einzelnen Bücher und Beiträge sollten sowohl als Symptome als auch als Ursachen dieses langfristigen Trends angesehen werden. Man glaube übrigens nicht, daß dieses Wachstumsmuster irgendwie trivial ist in dem Sinne, daß es unvermeidlich wäre.
7 Logarithmus der kumlativen Zitierungshäufigkeit von drei Arbeiten, die nicht von Hamilton stammen, im Vergleich zur „theoretischen“Kurve für Hamilton (Einzelheiten sind im Text erklärt)
Natürlich würde
Weitere Kostenlose Bücher