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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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tuut«-Pfeifen im Holzfällerlager. Mit diesen Pfeifsignalen wurden die Operationen des Krans dirigiert, der die riesigen Baumstämme auf die Loren verfrachtete. Ich hörte das Pfeifen gern, es war eine hübsche Unterbrechung in der summenden Sommerstille, doch manchmal klang der Pfiff nicht fröhlich und hell, sondern lang und klagend, und das bedeutete dann, daß ein Mann verletzt oder getötet worden war. Mir kroch jedesmal ein Kälteschauer über den Rücken, wenn ich das Unglückssignal vernahm, und um nichts in der Welt hätte ich zugegeben, daß Bob im Holzfällerlager arbeitete, wie es die meisten anderen Farmer taten.
    Die Kettlejungen betätigten sich als Holzfäller, und sie erzählten schaurige Geschichten von zerschmetterten Beinen, zerquetschten Händen, überraschend stürzenden Bäumen, erschlagenen Holzfällern und verunglückten Lastwagenfahrern, die von ihrer eigenen Ladung zermalmt wurden. Die Kettles arbeiteten bei kleineren Unternehmungen, die mit Traktoren die Baumstämme zur nächsten Sägerei schleiften. Doch die Holzfällergesellschaft, deren Pfiffe ich in meinem Garten hören konnte, gehörte mit zu den größten der Gegend. Sie arbeitete in dreifacher Belegschaft, das hieß, sie hatte drei Schienenwege, die bis zu den Schlagplätzen führten. Unter den dort beschäftigten Männern befanden sich mehrere gute Freunde von Bob. Tom und Mike Murphy, zum Beispiel, leiteten den Holzschlag an zwei Plätzen. Sie verunglückten später beide tödlich. Damals waren sie als Oberaufseher bei der Kompanie angestellt, beide Junggesellen und nett, auffallend schüchterne Burschen. Auch Cecil Morehead, ein Riese an Gestalt, der zurückhaltend wie ein junges Mädchen war, gehörte zu Bobs Freunden. Sie hatten nur den Mut, uns zu besuchen, wenn sie getrunken hatten. Einmal verspürte Tom unbändige Lust auf einen guten Eierpunsch, und da überwand er seine Scheu, kam zu mir und fragte mich zitternd und zagend, ob ich wohl so nett wäre, ihm einen zu bereiten. Natürlich, das täte ich gern, erwiderte ich, und mit sichtlicher Erleichterung machte er rechtsum kehrt, ging zu seinem Wagen und kam mit einem Korb Eier, mehreren Litern Rahm und einer Flasche Whisky zurück.
    »Ja, Tom, soll ich denn für das ganze Holzfällerlager Eierpunsch brauen?« fragte ich lachend.
    »Nein, nein, Betty, es is bloß, ich hab so Kopfschmerzen und da dacht ich, ein Eierpunsch wär sicher ’ne ganz gute Medizin. Und dann dacht ich, da könntet ihr euch bei der Gelegenheit auch gleich einen genehmigen.«
    Mike war genauso. Manchmal tauchte er überraschend auf und brachte Steaks zum Braten mit, von denen jedes einzelne eine sechsköpfige Familie ernährt hätte. Doch Mike war großzügig. Er rechnete zwei der Riesendinger pro Kopf, was wir natürlich nie aufessen konnten. Als nun nach einem solchen improvisierten Galadiner wieder einmal mehrere Steaks übrigblieben, brachte ich eines davon Mrs. Hicks und zwei Mrs. Kettle und mußte dann hilflos Zusehen, wie jede der guten Damen die zarten Steaks in eine kalte Fettsauce legte und unter Zugabe von viel Zwiebel und Karotten auf kleinem Feuer briet. Ich brauchte nicht bis zum Abendessen zu warten, um zu wissen, daß das saftige Fleisch, wenn es endlich auf den Tisch kam, trocken und zäh wie Schuhsohlen schmecken würde. Einmal versuchte ich, Mrs. Kettle davon zu überzeugen, daß Steaks auf großer Flamme sehr schnell gebraten werden mußten, aber sie winkte energisch ab und wollte nichts von dieser Neuerung wissen. »Hab ich auch schon gegessen, im Restaurant«, erwiderte sie, »war noch blutig, das verdammte Zeug. Nein, meine Liebe, wir wollen ’s Fleisch richtig durchgebraten haben.«
    Gegen Ende des Sommers, als die Luft bereits vom herbstlichen Geruch erfüllt war, forderte uns Tom auf, seine Arbeitsstätte im Wald zu besuchen. Ich gab Anne für einen Tag zu Mrs. Hicks in Pflege und fuhr mit Bob hinaus ins Gebirge, wo Toms Gruppe ihren Schlagplatz hatte.
    Das Lager mutete an wie eine kleine Stadt. Es gab Läden, Kantinen, Mannschaftsbaracken, Duschen und Büros auf der einen Seite der Siedlung, und auf der gegenüberliegenden befanden sich etwa vierzig bis fünfzig Blockhäuser für die verheirateten Arbeiter und Angestellten, die hier mit ihren Familien lebten. Die Häuschen waren klein, aber sehr freundlich; die meisten hatten einen braunen Anstrich, und um einige lief ein weißer Staketenzaun.
    Tom erwartete uns und stellte uns dem Chefinspektor des Lagers, dem Zahlmeister

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