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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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spritzte hoch, zerbarst und löste sich in viele kleine sprühende Strahlen auf, die sich raketengleich verteilten und dann herabrieselten. Nachdem sich das Wasser beruhigt hatte, sah man auch den Stamm. Um ihn herum bildeten sich Kreise, verliefen spiralenförmig und trieben kleine Wellen bis an unser Ufer herüber. Es war ein überwältigendes Schauspiel, um so überwältigender, als wir ruhig dasaßen, unser Picknick verzehrten und es wie aus einer Theaterloge betrachten konnten. Später schwammen wir im lauwarmen Wasser der Bucht und fuhren durch die von der Nachmittagssonne überglänzte Landschaft heim.
    Beim Anblick der Berge, die erhaben und kühl in ihrem grünen Baumkleid die Täler beherrschten, fragte ich Cecil, wie lange wohl der Wald bestehen würde, da überall Holzfällerkompanien damit beschäftigt waren, ihn zu lichten. Cecil sah sehr pessimistisch drein. »Sehen Sie die vielen roten Fahnen?« sagte er, und ich wußte, was er meinte. Alle zwei oder drei Meilen unterbrach ein roter Fleck die grüne Umgebung, und jede Fahne bedeutete: »Achtung – Holzfuhren!«. Jede Holzfuhre bedeutete einen in Tätigkeit befindlichen Kran, jeder Kran ein Holzfällerlager und jedes Holzfällerlager soundso viel Waldbestand weniger. Je primitiver die Ausrüstung der Holz-Kompanien war, desto größer war der Verlust, der dem Wald sinnlos zugefügt wurde. Holzschlag ohne die notwendigen mechanischen Hilfsmittel läßt sich dem Tun eines Mannes vergleichen, der aus einer dichten Menschenansammlung einen bestimmten Menschen niederzuschießen versucht. Ob er ihn trifft, ist Glücksache. Sein Vorhaben kann beim ersten Schuß gelingen, aber wahrscheinlicher ist, daß er vorher ein Dutzend Unschuldige verletzt.
    Siebenundzwanzig rote Fahnen zählte ich auf der Heimfahrt. Mag sein, daß manche zu längst verödeten Schlagplätzen gehörten und andere nur Richtungszeichen sein sollten, aber selbst zehn wären zuviel gewesen.

Herbst

Ich sah den Herbst im nebelgrauen Morgen,
bewegungslos und ohne Schatten, gleich Stille,
die der andern Stille lauscht.
    Hood

Wasser nach Belieben
    Der Brunnen hinter der Farm versiegte im Frühling, die Quelle unterhalb des Obstgartens aber trocknete im Sommer aus, und so mußten wir August und September hindurch das Wasser ein paar hundert Meter entfernt holen. Ich war gar nicht böse, wenn der Brunnen und die Quelle den Dienst versagten, denn in dieser Zeit hatte Bob die Wasserversorgung unter sich. Er holte allmorgendlich mehrere große Kanister voll, und ich brauchte nicht mehr das Gefühl zu haben, etwas Verbotenes zu tun, wenn ich mir täglich Gesicht und Hände wusch. Von der viele hundert Meter entfernten Quelle brachte Bob die Kanister natürlich mit dem Lastwagen, aber von der Quelle unterhalb des Obstgartens oder dem Brunnen hinter dem Haus schleppte er die Eimer höchstpersönlich und geizte dann so mit jedem Tropfen, daß man hätte meinen können, wir lebten in der dürren Wüste und nicht im nässesten Zipfel der Staaten, der an Feuchtigkeit nur noch von den kanadischen Sümpfen übertroffen wurde. »Ich brauche mehr Wasser!« war meine ständige Klage, und Bobs ständige Antwort darauf lautete: »Mehr Wasser! Aber ich habe ja gerade erst zwei Eimer geholt.« Ich sandte einen entsagungsvollen Blick gen Himmel und erklärte mit Engelsgeduld: »Ich habe das Wasserreservoir Herds gefüllt, Kaffee gebrüht, wozu man bekanntlich Wasser benötigt, zwei Eier gekocht, Gemüse für das Kind gewaschen und leichtsinnigerweise zweimal meine trockenen Lippen genetzt. Ich habe kein Wasser mehr!«
    Bob würdigte mich nach solchen Erklärungen keiner weiteren Worte, kniff die Lippen zusammen und trollte sich zur Quelle hinunter, um die Eimer abermals zu füllen, was knapp für die Babywäsche reichte. Doch der Tag war noch lang, und ich mußte die Kleine baden, Mittagessen kochen, Nachmittagstee brühen, das Geschirr abwaschen, den Boden schrubben, Konserven einmachen. Abendbrot kochen, abermals Geschirr waschen und so fort, ganz zu schweigen von gelegentlichem Mehrverbrauch zum Kopfwäschen, Baden oder ein Glas Wasser trinken. Für diese Zwecke holte ich die nötigen Quantitäten Wasser selbst – es war weniger anstrengend, als die stundenlangen Rechenschaftsberichte abzulegen.
    An die sechzehn Eimer schleppte ich Tag für Tag, meine Arme wurden immer länger, an den Händen bekam ich Hornhaut, und wenn nur von Wasser die Rede war, sanken mir schon mutlos die Schultern herab. Nachts träumte

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