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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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war sich einig, daß er eine außergewöhnliche Persönlichkeit sei, wo er doch zwei Stunden blau dagelegen hatte.
    An einem schönen Sommermorgen zog ich Anne wie gewöhnlich aus und legte sie in ihrem Wagen nackt in die Sonne, als gerade Mrs. Kettle durch den Obstgarten gewatschelt kam, um sich ein paar Eier auszuborgen, da ihre Hennen neuerdings den Wald unten beim Bach als Nestplatz ausgesucht hatten. Beim Anblick des nackten Kindes weiteten sich ihre Augen entsetzt. »Jeeeesus Keeeeristus, Sie werden doch das Kind nich so da in der Sonne liegen lassen?« rief sie aus.
    »Doch«, entgegnete ich lächelnd. »Es nimmt jeden Morgen ein Sonnenbad.«
    »Joes Frau hat 5 n Baby, das is grad zwei Tage älter als das da«, war Mrs. Kettles Antwort. »Aber aus Jeanie ihrem kann man zwei solche machen. Und Jeanie gibt ihrem kein Sonnenbad.«
    Vielleicht eine Woche später hatte ich zufällig Gelegenheit, Jeanies Baby, aus dem man zwei machen konnte, zu Gesicht zu bekommen. Bob hatte Joe beauftragt, eine Benzin- und Wasserpumpe einzurichten, und als Joe zur Arbeit kam, brachte er Jeanie und seinen acht Monate alten Sohn Georgie mit, der aussah, als hätte man ihn gerade aus Teig geformt und mit Mehl überstäubt, so wabblig und weiß war er. Jedesmal, wenn er schrie, und er schrie oft, riß sich Jeanie die Bluse auf und legte den fetten kleinen Kerl an die Brust.
    Zwischen zehn Uhr früh und fünf Uhr nachmittags gab sie ihm sechsmal zu trinken, und wenn sie ihn nicht gerade stillte, schaukelte sie ihn herum, warf ihn in die Luft, kitzelte ihn, lachte und plapperte in einem fort.
    Als ich Anne ihre Mahlzeit, bestehend aus Gemüse, Lebertran und Fruchtsaft, gab, schüttelte Jeanie ungläubig den Kopf. »Um Gottes willen, ist das nicht gefährlich, was Sie da machen, Betty?« fragte sie mich ernsthaft. »Georgie kriegt nichts außer seiner Milch, Kartoffeln und ab und zu mal ’n bißchen Bratensauce drüber und zwischendurch höchstens Zuckerzeug. Und schauen Sie nur, wie groß und dick er ist!«
    Ich erkundigte mich, ob Georgie an Krämpfen leide. »Nein, bis jetzt nicht, aber das kommt sicher noch. Alle Kinder haben Krämpfe.«
    Der Tag war warm und schwül, doch Georgie hatte gestrickte Schuhchen, ein Hemd, Windeln, Flanellröckchen, Baumwollröckchen, ein Hängerchen und eine gestrickte Jacke an. Und als Jeanie sich verabschiedete, legte sie dem armen Wurm eine Decke über den Kopf, denn nichts schien ihr gefährlicher, als kleine Kinder der frischen Luft auszusetzen. Und so machten es alle Mütter in der Gegend. Selbst im Sommer mummelten sie ihre Kleinen wie Eskimos ein, bevor sie ins Freie durften. Und des Nachts wurde ängstlich darauf geachtet, daß kein Fensterspalt offenblieb, damit die verbrauchte Luft im Zimmer, in dem außer den Babies meist auch Erwachsene schliefen, nicht etwa erneuert wurde.
    Doch die Kinder schienen sich bei dieser Behandlung wohl zu fühlen, denn sie blieben am Leben und wuchsen zu Männern und Frauen heran. Sicher war ihre Lebensweise interessanter und vor allem abwechslungsreicher als diejenige der modernen Wickelkinder mit ihren regelmäßigen Fläschchen, sterilisierten Flaschen und der Nichtanrühren-Theorie. Dem Farmerbaby waren keinerlei Einschränkungen auferlegt; trank die Mama Kaffee, bekam Baby auch ein paar Schluck, labte sie sich mit Bier, wurde Baby nicht vergessen, und die schönsten Stunden verbrachte es im Kino, beim Tanz oder in der warmen, von Lachen und Schwatzen erfüllten Küche, wenn es von Schoß zu Schoß gereicht wurde.
    Die Gegend erfreute sich großen Kinderreichtums. Obwohl es viele Fehlgeburten gab, kamen doch viele Kinder zur Welt. Die meisten waren schmutzig, rotznasig und rochen nicht gerade appetitlich, manche waren auch etwas zurückgeblieben, aber verwöhnt und geliebt wurden sie alle. Selbst die Männer, die mit ihren Frauen oft kein freundliches Wort sprachen und mit Tieren furchtbar grob umgingen, schämten sich nicht, ihre Babies zu verhätscheln und sie, naß und mit laufendem Näschen, mitzunehmen, wenn sie einen Besuch abstatteten.
    Anne mit ihren rotblonden Löckchen und ihren runden, rosa Bäckchen erregte überall Bewunderung, und es ist nur meiner nie erlahmenden Wachsamkeit zu verdanken, wenn sie keine Schwäche für Gurken, Bier, Kaffee und Krämpfe bekam.

Achtung – Holz!
    Wenn ich im Sommer im Garten Unkraut jätete, Gemüse holte oder Wäsche aufhing, hörte ich in unregelmäßigen Abständen vom Wald herüber das »Tuut, tuut,

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