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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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von uns zu sehen sein.« Der Gedanke war nicht gerade tröstlich, und die Zufahrt zum Haus, die wie ein Tunnel überdacht war von den ineinandergreifenden Zweigen der Baumreihen, kaum geeignet, mich fröhlicher zu stimmen. Tief hängende Äste streiften das Verdeck, vorwitzige Zweige verfingen sich im Fenster, und die Räder glitten knirschend und quietschend über die schlüpfrige Schicht dürrer Tannennadeln am Boden. Wir fuhren vielleicht eine Viertelstunde durch die beängstigende Wildnis, dann öffnete sich plötzlich die enge Gasse, und wir sahen uns dem Vorhof der Farm gegenüber, wo ein wunderschöner Urgroßpapa von einem Kirschbaum mit weit ausladenden Ästen und über und über bedeckt von weißen Blüten das Haus bewachte.
    Ich weiß nicht, ob der Kirschbaum schuld war oder der Purpurteppich duftender Veilchen um den netten, silbergrauen Holzschuppen, oder ob mich die unerwartete Sauberkeit bestach, weder Abfälle noch leere Konservenbüchsen lagen herum, jedenfalls verlor der weltabgeschiedene Flecken plötzlich sein trostloses Aussehen für mich und wirkte nur noch einsam und ein bißchen hilflos, als sehne er sich nach Bewohnern. Es war unzweifelhaft eine ansprechende, freundliche Farm, und für ein wenig Schönheitspflege wie Anstreichen und Fensterscheiben-Einsetzen würde sie sicher dankbar sein und uns ein gemütliches Heim werden.
    Während ich herumstand, die Atmosphäre des Hauses erspürend, lief Bob mit einem Hammer bewaffnet geschäftig von Raum zu Raum, klopfte die Wände ab und rief: »Schau, Betty, mit der Axt aus Zedernstämmen gehauene Balken klingen sonderbar hohl.« Die handgehauenen Balken hatten sich im Laufe der Jahre an einigen Stellen gelöst, und Bob zeigte mir die Axteinschläge.
    Das Haus, das offenbar ursprünglich als Holzhütte im Umfang von ungefähr sieben Metern im Quadrat erstellt und später nach beiden Seiten vergrößert worden war, lag wunderschön auf einer kleinen Anhöhe, umgeben von einem alten Obstgarten, dessen Bäume zwischen den sich überall vordrängenden Fichten hervorlugten. Der Obstgarten fiel sanft zu einem kleinen See oder großen Teich, wie man es nennen wollte, ab. Die ursprüngliche Blockhütte war das jetzige Wohnzimmer. Es hatte Fenster nach Norden und Süden, und über die vordere Breite zog sich eine schon etwas baufällige Terrasse hin, die den Anblick auf den Obstgarten, den Teich und natürlich auf die Berge freigab. Die Berge waren überall. Wo man auch hinausschaute, wie man sich auch drehte, überall türmte sich eines dieser abweisenden Ungetüme vor einem auf.
    Vom Wohnzimmer aus führte rechts eine Tür in ein Schlafzimmer, das Nord-, Süd- und Westfenster hatte. Am Boden vor den Fenstern lagen Heckenrosenzweige und Geißblattranken. Es sah aus, als hätten sie sich an der Hauswand zum Fenster heraufgezogen und dann beim neugierigen Hineinspähen das Gleichgewicht verloren. An der linken Seite des Wohnraumes führten drei Stufen in eine Küche mit Ost- und Nordfenstern und anschließendem dreifenstrigem Vorratsraum von der Größe unserer Stadtwohnung. Von der Küche aus, der Vorderfront des Hauses zu, erreichte man ein weiteres Schlafzimmer, dessen Fenster an der Süd- sowie der Westwand lagen. Dann gab es noch zwei abgeschrägte, kleinere Schlafzimmer, in die man vom Wohnzimmer aus über eine Wendeltreppe hinaufstieg. Unter der Vorderterrasse entdeckten wir einen Keller, den sich die Fledermäuse als Unterschlupf erkoren hatten, und an der Seitenwand der Küche einen überdachten Eingang, der einen geraden Winkel zum Wohnzimmer bildete, und einen Vorratsraum für Holz.
    Außen an der Nordwand der Küche war sehr hoch und sehr kunstvoll Holz aufgestapelt, das leicht modrig roch. Sonst entdeckten wir keine Reichtümer. Die Fußböden waren leicht gewellt und splittrig, die Wände sehr sorgfältig mit Zeitungen des Jahrgangs 1885 tapeziert.
    Beim ersten flüchtigen Rundblick machten die Nebengebäude einen ziemlich verfallenen und unbrauchbaren Eindruck, aber die nähere Untersuchung ergab, daß sich unter den verwaschenen Farben und windschiefen Brettern solide Grundpfosten, Querbalken und Dachsparren befanden.
    Außer dem Wohnhaus konnte man also noch eine sehr geräumige Scheune, zwei kleine Hühnerhäuser, einen Holz- und einen Werkzeugschuppen als zum Anwesen gehörig rechnen. Außerdem zehn Morgen Land, die offensichtlich schon einmal gerodet worden waren, und dreißig Morgen bisher unberührten Baumbestandes, Zedern, Fichten und

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