Das Ei und ich
meinem kindlichen Gemüt. Doch am nächsten Tag wurde mit dem Bau eines Bruthauses begonnen, weil die Küken an erster Stelle kamen. Bob hieb die Stützbalken ungefähr acht Meter entfernt von dem Platz, wo das Bruthaus erstehen sollte, zurecht und schleppte die übrigen Bretter von der Sägemühle heran. Ich schnipselte mit umwölkter Stirn und vielem Fluchen die benötigten Holzstifte. Wir bauten das Bruthaus im schönsten Teil des Obstgartens, von wo man eine wundervolle Aussicht auf den Teich und auf die Berge hatte, und da mich das blitzblanke, neue Aussehen im Vergleich zum verwitterten Zustand der übrigen Gebäude störte, machte ich Bob den Vorschlag, die Wände entlang Weinranken zu ziehen und vielleicht ein paar Sträucher davorzupflanzen. Er war entsetzt, als hätte ich die Absicht geäußert, den Operationstisch eines Spitals mit Topfpflanzen zu schmücken. »Bruthäuser werden auf Rutschen gebaut, damit sie von einer Stelle zur anderen verschoben werden können. Zuchtküken brauchen keimfreien Boden!« predigte er. Mir erschien seine Vorsicht etwas übertrieben, denn das Land war so wild und unberührt, daß es mich nicht überrascht hätte, die Erde erschreckt »Au« schreien zu hören, sobald ich mit einem Spaten hineinstach. Und ein Bazillus, der die Härten des Lebens in dieser Wildnis überstand, war sicher so stark und stämmig, daß er uns schon von weitem aufgefallen wäre. Das Bruthaus wurde jedenfalls, wie mein teurer Gatte es gewünscht, auf einer Rutsche gebaut und blieb ein Schandfleck für die Landschaft bis auf das Schindeldach, das bald verwitterte und wunderschöne Färbungen annahm.
Als das Bruthaus fertig dastand und die dreihundertfünfzig piepsenden Küken und der Brutapparat installiert waren, atmete ich auf und dachte: »So – jetzt kommt unser Haus an die Reihe!«
Die Nächte waren kalt, mindestens drei von den sieben Tagen der Woche regnete es, und ich hätte es keinen allzu großen Luxus gefunden, durch das Einsetzen einiger Fenster und Türen um unsere Gesundheit besorgt zu sein. Doch meine Überlegungen waren voreilig. Wichtiger als unsere Bleibe waren die Unterkünfte für die Hühner. Also machten wir uns an den Bau zweier kleiner Hühnerställe, kalkten die Wände des schon vorhandenen Hühnerhauses frisch und legten einen sauberen Boden, damit die jungen Hähne in freundlicher Umgebung Fett ansetzten. Die Gockel erhielten überdies noch ein sehr hübsches Freigehege, und das zweite vorhandene Hühnerhaus verwandelten wir in einen Schweinestall, denn unser Ferkel mußte selbstverständlich vor der kalten Nacht- und der feuchten Tagluft geschützt werden. Als wir dies alles geschafft hatten, war es Mai. Ein kalter, unfreundlicher Mai mit so viel Regen, daß unsere Sachen in den Schränken Moderflecke bekamen und die Leintücher abends klamm waren, so daß man das Gefühl hatte, sich mit Seetang zuzudecken.
»Jetzt sind die Küken, die Hennen, die Gockel und das Schwein gut untergebracht, nun werden wir uns endlich um unser Haus kümmern können«, frohlockte ich. Aber weit gefehlt! Es war an der Zeit, den Garten zu bestellen. Ich hatte häufig gelesen, daß die Kombination von Land- und Bergleben dazu angetan sei, die Menschen zu erhöhter Tüchtigkeit anzuspornen und sie abzuhärten. Nach zwei Monaten kombinierten Land- und Berglebens tat mir immer noch jeder Knochen im Leibe weh, und das einzige, was sich verhärtete, war Bobs Herz.
An einem Maimorgen kam er gleich nach dem Frühstück in Begleitung eines Gauls, der es an Größe mit einem mittleren Elefanten hätte aufnehmen können, in den Hof, warf die Zügel lässig über den Zaun und erklärte mir, daß es meine Aufgabe sein würde, das Riesenvieh an der Kandare zu führen, während er hinter dem Pflug herlief. Es ging alles ganz gut, bis Birdie, so hieß die vierbeinige Riesendame, mir auf den Fuß trampelte. »Sie steht auf meinem Fuß!« sagte ich schüchtern, als Bob sich über den unprogrammäßigen Halt beschwerte. »Sieh zu, daß sie runtergeht, und dann hopp weiter!« rief ärgerlich der Mann, der einst gelobt hatte, mich zu verwöhnen. Mittlerweile sank das, was bisher mein Fuß gewesen war, immer tiefer in das weiche Erdreich ein, während Birdie sich in den Anblick der Landschaft verlor. Ich schlug sie in die Kniekehlen, schrie sie an, schrie dann Bob an und war drauf und dran, einen Tobsuchtsanfall zu kriegen, als Birdie geistesabwesend die Stellung wechselte und bei der Gelegenheit meinen Fuß
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