Das Ei und ich
Schierlingstannen, von denen manche Stämme bis zu zwei Meter Durchmesser hatten. Auf dem Areal der früher einmal gerodeten zehn Morgen standen verstreut wie Figuren in einem Bild die schönsten, regelmäßigsten, herrlichst gewachsenen Weihnachtsbäume, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Jeder einzelne war unten ebenmäßig und voll, verjüngte sich nach oben und war geschmückt mit braunen Tannenzapfen. Ich war begeistert und brach in lauten Jubel aus über meinen Fund, aber Bob setzte meinem Überschwang gleich einen Dämpfer auf. Solche Weihnachtsbäume gäbe es zu Hunderten und Tausenden, behauptete er, und gerissene Christbaumverkäufer machten bei den Farmen die Runde, zahlten zwei Cent pro Stück und schleppten sie weg. Mir schien es unmöglich, daß ein Mensch, der Bäume und Blumen liebte, solchem Vandalismus Vorschub leistete – noch dazu für den lächerlichen Preis!
Am Rande der gerodeten Fläche und wohlbehütet von den Zweigen einer Schwarztanne, entdeckten wir einen alten Brunnen. Er war zur Hälfte mit Wasser gefüllt, aber der Zufluß tröpfelte nur spärlich, statt in sprudelndem Strahl in die Tiefe zu schießen, wie es für die Jahreszeit recht und billig gewesen wäre; Bob erklärte deshalb scharfsinnig, der Brunnen müsse längst außer Gebrauch sein, und wir gingen auf die Wassersuche. Wir fanden eine viel größere, fröhlich plätschernde Quelle am Ende des Obstgartens. Doch die Quelle war nicht eingezäunt, speiste den See und schien sonst keine weitere Aufgabe zu haben. Entweder existierte sie erst seit kurzem, oder es war etwas nicht mit ihr in Ordnung – die Zeit würde uns dies lehren. Und sie lehrte uns dies und anderes. Wasser nahm fortan in meinem Leben eine nie geahnte Bedeutung an.
Wir machten eine Runde durch den Obstgarten. Die schmächtigen Zweige der Obstbäume konnten sich kaum des Ansturms der frech wuchernden, zottigen Fichten erwehren. Groß und stämmig ragten die Nadelbäume auf, sogen mit ihren starken Wurzeln alle Kraft aus dem Boden und ließen den armen, viel schwächeren Obstbäumen nur gerade so viel Nahrung und Licht übrig, daß sie ein paar Blütenzweige am Leben erhalten könnten. Sie gehörten nicht zu der Sippe der in vornehmem Abstand voneinander wachsenden Tannenbaumdamen von der hinteren Wiese. Diese finsteren Gesellen waren Eindringlinge, Plünderer und Räuber.
Je länger wir umherschlenderten, desto zwingender wurde in mir das Gefühl, wir müßten uns beeilen mit dem Erwerb der Farm, um ihr im Kampf gegen die Wildnis beizustehen. Bob war im siebenten Himmel, als ich ihm meine Empfindung schilderte, und wir beschlossen, das Anwesen sofort zu kaufen.
Für die vierzig Morgen Land, das Wohnhaus mit den sechs Räumen, die Scheune, die beiden Hühnerställe, den Holz- und den Werkzeugschuppen sowie den bockigen Herd verlangte die Treuhandgesellschaft vierhundertfünfzig Dollar. Wenn wir unsere Ersparnisse zusammenkratzten, das zur Hochzeit und zu den Geburtstagen als Geschenk erhaltene Geld dazulegten und eine kleine Erbschaft beliehen, die mir erst an meinem einundzwanzigsten Geburtstag ausbezahlt wurde, kamen wir auf fünfzehnhundert Dollar.
Wir setzten uns unter den großen Kirschbaum, kramten einen blauen Zimmermannsbleistift aus der Tasche, nahmen eine zerbrochene Dachschindel zur Hand und stellten Berechnungen an. Wir beschlossen, die Farm bar zu bezahlen und siebenhundert Dollar auf die Bank zu legen. Das Geld würden wir brauchen, um dreihundertfünfzig Hühner zu kaufen, zu füttern und zu züchten. Mit dem Rest wollten wir das Haus instand setzen. Brennholz und Wasser kosteten nichts; das Gemüse konnten wir aus dem eigenen Garten beziehen und die Eier von den eigenen Hühnern. Zur Verwertung der Abfälle würden wir ein Schwein anschaffen, und bis das Kükengeschäft sich so einrichtete, daß es Gewinn abwarf, konnte Bob sich ja durch Gelegenheitsarbeit in einer der Sägemühlen zusätzlichen Verdienst verschaffen. Wie es da säuberlich mit Blaustift auf der Dachschindel stand, war es der einfachste und beste Plan, den zwei junge Menschen sich für die Zukunft aufstellen konnten.
Wir eilten uns, heimzukommen und den Plan in die Tat umzusetzen. Gleich am nächsten Morgen ging Bob zur Treuhandgesellschaft, zahlte die vierhundertfünfzig Dollar und brachte stolz den Vertrag heim. Eine Woche später liehen wir uns einen Lastwagen, luden unseren gesamten Besitz an fahrbarer Habe darauf und machten uns auf den Weg in unser neues Heim, um
Weitere Kostenlose Bücher