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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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freigab. Ich humpelte ins Haus, nahm ein Fußbad und stellte tiefsinnige Betrachtungen über Männer und Tiere an.
    An diesem Abend saßen Bob und ich uns zwei Stunden am Tisch gegenüber und sortierten und zerschnitten Saatkartoffeln. Man erwartet von einem jungvermählten Paar, das des Abends allein ist, Koseworte zu vernehmen. Unser Liebesgeflüster erschöpfte sich in wechselnden Redensarten wie: »Das ist ein Auge. Ein Auge ist ein Sproß. Aus dem Sproß entsteht die Pflanze. Jedes Stück muß drei Augen haben.« »Ist das ein Auge?« »Nein.« »Warum nicht?« »Oh, mein Gott!«
    Als ich später in meinem Bett lag und auf Bobs Schnarchen und das Heulen der Kojoten lauschte, dachte ich darüber nach, ob das Leben der Elizabeth Brown und der Beth in »Die kleinen Frauen« eigentlich so zu verurteilen war. Und ich kam zu der Überzeugung, daß Elizabeth sich sicher nicht so sanftmütig gezeigt hätte, wäre ihr als Folge des verrückten Einfalls eines ihrer Bobs der Fuß von einem Pferd zerquetscht worden.
    Der ungefähr fünfzehn mal hundertfünfzehn Meter große Garten wurde gepflügt, geebnet, geeggt und geharkt, bis der dunkelbraune Lehmboden glatt wie Samt war. Darauf ging’s ans Säen. Bohnen, Mais, Krautstiele, Lauch, Kohl, Zwiebeln, weiße Rüben, Sellerie, Gurken, Tomaten und Kürbis. Ein Morgen des hinteren Feldes wurde ebenfalls mit Pflug und Spaten und Egge und Harke bearbeitet. Dort sollten Kartoffeln, Grünkohl und schwedische Rüben angepflanzt werden.
    Dann wurde ich zum Ausroden der Baumstümpfe abkommandiert. Der Schauplatz war der Obstgarten, und meine Tätigkeit bestand darin, die Kette zu erhaschen, wenn das Pferd vorbeitrabte, sie mit Blitzesschnelle um den Stamm der zum Entwurzeln bestimmten Fichte zu schlingen, bevor der Gaul zu weit war, weil sonst die Schlinge nicht mehr reichte, dann Bob »Los!« zuzurufen und von oben bis unten mit feuchten Lehmklumpen beworfen zu werden, da ich in der Aufregung natürlich vergaß, beizeiten auszuweichen.
    Land roden ist eine sehr befriedigende Arbeit, weil man sogleich das Resultat der geleisteten Anstrengung sieht, selbst wenn’s nichts weiter ist als ein tiefes Loch. Im Obstgarten war es rührend, einen mächtigen Kirschbaum zu beobachten, wie er sich ängstlich zur Seite neigte, als wir einer Fichte zu Leibe gingen, die ihm Licht und Luft zum Leben abschnitt, und dann, nachdem der letzte Widerstand des zähen Nadelbaums überwunden war und die Erdklumpen die Wurzeln des Kirschbaums erneut bedeckten und ihnen Halt gaben, sich zaghaft wieder aufrichtete und seine schwachen Äste zu Himmel und Sonne empor streckte und reckte.
    Als auch der letzte Störenfried aus dem Obstgarten entfernt und die Stämme jenseits des Hags als willkommenes Brennmaterial für den Winter aufgestapelt worden waren, beschnitten Bob und ich die toten Äste der Obstbäume und stellten Mutmaßungen über unsere Fruchternte an. An den Blüten erkannten wir, daß es Früh- und Spätäpfel, Kirschen, Birnen, Pflaumen und Zwetschgen in unserem Garten gab, aber wir hatten natürlich keine Ahnung, welche Bäume tragen und wieviel sie tragen würden. Leider stellte sich später heraus, daß die kräftigsten Bäume die minderwertigsten Sorten lieferten und manche nichts oder höchstens zwei bis drei verschrumpfte ungenießbare Früchte. Immerhin besaßen wir im Herbst einen genauen Überblick über unseren Obstbestand. Zwei Gravensteiner, ein Wealthy, ein Baldwin, ein Winterbananen und zwei Yellow Transparent, das waren die verschiedenen Apfelsorten in unserem Garten; zwei italienische Zwetschgen- und ein Reineclaudenbaum, drei Barlett- und zwei Seckelbirnbäume, mehrere Bingkirschbäume, von denen jeder nur eine Kirsche trug, und der Urgroßpapa-Kirschbaum, der zu einer unbekannten Abart gehörte, deren Namen kein noch so findiger Obstbaumspezialist herausfand. Der Namenlose lieferte die reichste Ernte. Er reifte erst spät, gegen Ende August, aber seine Früchte waren groß und hellrot und sehr süß und saftig. Wegen seiner strotzenden Kraft und Gesundheit entging er als einziger Baum in unserem Obstgarten Bobs Beschneidungswut. Noch als wir uns mit dem Säubern des Obstgartens von Schmarotzern abquälten, hatte Bob in der Farmerzeitung eine Annonce gelesen, in der eine Broschüre über das fachgemäße Beschneiden der Bäume angepriesen wurde. So eine Broschüre zu besitzen, konnte nur nützlich sein, also ließ Bob sie kommen. Wir erhielten sie prompt und außerdem einen

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