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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Ende« hatte mit dem Abwaschen des Geschirrs zu tun, das ich zu besorgen hatte, während Bob behaglich seine Pfeife rauchte und sich ausruhte.
    Manche Nacht lag ich schlaflos im Bett, wälzte mich mit schmerzenden Muskeln von einer Seite zur anderen und dachte: »Das soll ein Leben sein?« Am Morgen stand ich müde, mißmutig und verdrießlich auf. Plötzlich stahl sich ein fahler Schimmer durchs Küchenfenster, Anzeichen des bevorstehenden Sonnenaufganges. Sowie die ersten blaßrosa Streifen schüchtern über den Bergrücken krochen, war ich draußen vor der Tür. Die blaßrosa Streifen verwandelten sich zusehends, wurden kühner und ergossen sich endlich wie ein flüssiger Strom in den Spiegel des Teiches am Ende des Obstgartens. Leuchtender und strahlender wurde das Funkeln, bis auf einmal die Sonne über den Gipfeln stand und lachte. Die Berge, aus dem Schlaf aufgeschreckt, zogen sich in noch kühlere Unnahbarkeit zurück und hoben sich finster von der glühenden Scheibe und dem hellen Himmel ab. Dann wehte von der Küche her der herrliche Duft frischen Kaffees zu mir herüber, und ich dachte: »Das Leben ist herrlich«, während Bob, zufrieden mit sich und der Welt, pfeifend frühstücken kam.
    Im Herbst waren unsere Kartoffeln geerntet, die Hennen legten fleißig Eier, unsere Gockel waren schön fett und zu gutem Preis verkauft, und wir konnten uns in die Brust werfen, richtiggehende Hühnerzüchter zu sein mit fachmännisch geführten Brutlisten und einem Wochenverdienst von fünfundzwanzig Dollar dank unserer dreihundertundfünfzig Hennen. Meine Muskeln hörten auf, weh zu tun, und die Blasen an meinen Händen heilten. Eines Nachts lag ich neben Bob im Bett und beobachtete den Vollmond, der hinter den dunklen Bergkuppen aufstieg – noch vor Morgengrauen wird es Frost geben –, lauschte auf Bobs tiefe und so friedliche Atemzüge und das gelegentliche Knistern des Herdes, der seine Nachtfüllung an Baumrinde verzehrte, überhörte das zaghafte Nagen einer Maus und dachte: »Das ist das Leben!«
    Dann wurde es Winter, und ich kam zu der Erkenntnis, daß sowohl Niederlagen wie die moralische Widerstandskraft, die man ihnen entgegensetzt, von vielen, oft ganz unscheinbaren Dingen abhängen.

November

Keine Sonne – kein Mond – kein Morgen – kein Mittag – kein Morgengrauen – keine Abenddämmerung – kein Unterschied der Tageszeit,
    keine Wärme – keine Farben – kein angenehmes Wohligsein – kein Weg – kein Pfad – kein sichtbar Drüben – kein freundlich heiteres Entspanntsein,
    kein Schatten – keine Lichter – keine Schmetterlinge – keine Bienen – keine Früchte – keine Blumen – keine Blätter – keine Vögel – November!
    Hood

Niederlagen
    Trotz der geborgenen Lage unserer kleinen Farm hatte ich nie das tröstliche Gefühl, in den schützenden Schoß des Olympic-Gebirges gebettet zu sein. Die Berge machten nicht den Eindruck, als sei ihnen daran gelegen, Schutz zu spenden. Trat ich vor die Tür oder schaute zum Fenster hinaus, ragte vor mir eine hohe, weiße Kuppe auf, blickte hochmütig über mich Erdenwurm hinweg und gab mir deutlich zu verstehen, daß alles Land hier herum einst in erhabener Einsamkeit geruht hatte und den hohen Herrschaften das Blut in Wallung geriet, weil sie jetzt das profane Menschengeschmeiß zu ihren Füßen dulden mußten. Wir hatten uns nun einmal breitgemacht mit unseren häßlichen Häusern und unserem lebenden Inventar, daß sie uns aber auch noch willkommen heißen oder gar schöntun sollten, war, weiß Gott, zuviel verlangt. Mit Freuden wären sie bereit gewesen, die Hälfte ihres Baumbestandes zu opfern, hätten sie den Schauplatz in die Schweiz verlegen und uns kurzerhand mit einer hübschen, mittleren Lawine das Lebenslicht ausblasen können.
    Den ersten Frühling und den ersten Sommer verhielten sie sich ausgesprochen feindselig, allerdings ohne aggressiv zu werden. Anfang September zogen sie sich die Nebelkappen über die Ohren, die den Kapuzen der Ku-Klux-Klan-Leute ähnlich sahen, und versuchten, uns mit der altbewährten Wasserkur das Gruseln beizubringen.
    Es regnete und regnete und regnete! Der Regen sprühte fein, mittel und stark, klatschte und trommelte – kurz, es regnete in jeglicher Form. An manchem Morgen tobte der Sturm ums Haus, peitschte den Regen durch den Kamin und unter den Türen durch, und Bob mußte sich in seinen Wettermantel einmummeln wie ein Neufundländer. Ich kuschelte mich beim Herd auf einen Stuhl und grübelte

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