Das Ei und ich
über den Luxus eines im Hause befindlichen Wasserklosetts nach. Zeitweise waren Himmel, Berge und Landschaft von grauem Nebel verhängt, und der Regen trommelte eintönig und ohne den Rhythmus zu wechseln pit-pat-pit-pat-pit-pat-pitta-patta-pitta-patta, was genauso entnervend war wie Baby-Geschrei von früh bis spät. Im Verlauf des Novembers konnte ich mich überhaupt nicht daran erinnern, wie es ohne Regen gewesen war, und begann den Heldinnen der Romane zu ähneln, die sich in regenreichen Gegenden abspielten; die in Mitleidenschaft gezogenen Damen pflegen durch die Zimmerflucht zu irren, den Kopf gegen die verschiedenen Wände zu schlagen, sich wasserglasweise Whisky hinter die Binde zu gießen und zu stöhnen: »Dieser Regen! Dieser Regen! Mein Gott, dieser Regen!«
Falls der Leser sich nun wundert, warum ich mir’s nicht einfach mit einem guten Buch beim Küchenherd gemütlich machte, möchte ich erklären, daß unser Herd, kurz »Herd« genannt, keine der freundlichen Eigenschaften besaß, die man im allgemeinen bei einem zugleich als Ofen dienenden Herd zu finden erwartet. Er war schon ziemlich alt, hatte – wie man’s häufig bei alten Männern findet – ein verkniffenes Aussehen, einen schier unstillbaren Appetit und absolut keinen Gemeinschaftsgeist. Der Versuch, Herd zum Glühen und Knistern zu bringen, war ebenso zum Scheitern verurteilt, wie es der Versuch gewesen wäre, den Felsen von Gibraltar zum Wanken und Weichen zu überreden. Ich spaltete Pechtannenholz fein wie Roßhaar und stopfte damit Herds gefräßigen Wanst voll, doch er gab weder Wärme noch einen Laut von sich. Öffnete ich nach einem Weilchen die Klappe, war das Holz heruntergebrannt und nur ein verkohltes Aschehäufchen übriggeblieben. Der Vorgang blieb mir ebenso geheimnisvoll wie die Geschichte mit dem Mädchen aus meiner Klasse, das enorme Quantitäten von Frühstücksbroten vertilgte, ohne daß man es auch nur einmal kauen oder einen Bissen herunterschlucken sah.
Sonderbarerweise kochten Speisen auf Herd gar. Es war lange Zeit eine nie ihre Wirkung verlierende Überraschung für mich, wenn ich auch nach dem hundertsten Mal nicht aufhörte, an die Küchentür zu rasen, sooft ich Zeuge des Wunders war, und Bob, der in beschaulicher Ruhe im Garten seiner Arbeit nachging, wie eine Besessene zuzubrüllen: »Das Wasser kocht! «
Meinen ersten Kuchen vertraute ich Herd mit solcher Resignation an, daß ich am liebsten einen »Ruhe-in-Frieden-Kranz« dazugelegt hätte, und ich kam mir wie eine leibhaftige Sarah Crewe vor, als ich vom Hühnerstall zurückkommend die Küche betrat und ein köstlichsüßer Duft knusperigen Backwerks meine Nase umschmeichelte.
An den kältesten und ekelhaftesten Morgen fiel es Herd meist ein, zu schmollen. Er rauchte, ächzte und prustete, fraß eine Portion nach der anderen von der kostbaren Rinde, die ich ihm ins Maul stopfte, aber am Mittag hätte ich mich mit verschränkten Beinen auf ihm niederlassen und einen spannenden Roman von Anfang bis zu Ende lesen können, ohne durch irgendwelche Wärmegefühle abgelenkt zu werden.
Herd war ein schwieriger Geselle. Und er war heimtückisch. Als wir einzogen, bemerkte ich, daß er in seiner Ecke einen ziemlich abwehrenden Eindruck machte, aber ich dachte, das käme von der Vernachlässigung, und machte mich noch am Tage unseres Einzuges daran, ihn zu putzen. Ich kratzte den Rost von seiner Weste, schwärzte jeden Zentimeter seines schwarzen Anzugs bis auf die Nickelteile, die ich auf Hochglanz polierte. Darauf machte ich mein erstes Feuer in ihm. Es ging aus. Fünfmal ging mein erstes Feuer aus. Dann kam Bob in die Küche und schüttete ein paar Liter Brennöl auf die Kienspäne, woraufhin Herd sich widerwillig bequemte, etwas Feuer zu spenden. Mit der Zeit kam ich dahinter, daß man ihm morgens zwei Tassen Brennöl verabreichen mußte, um seinen Blutkreislauf anzukurbeln, und daß er abends nur Rinde verdaute. Sommer und Frühling kümmerte ich mich nicht um seine Mucken, da war mir’s gleichgültig, wie lange es dauerte, bis er sich auf seine Pflicht besann. Sommer und Frühling waren Bob und ich meist den ganzen Tag im Freien, und die Speisen hatten Zeit, unterdessen gar zu werden. Trockenes Holz war in Hülle und Fülle vorhanden, und die Türen blieben von morgens bis abends offen, so daß viel Luftzug entstand. Doch beim ersten regenfeuchten Tag fiel es mir drückend auf die Seele, daß Herd mein geschworener Feind war und ich ihn gar nicht
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