Das Ei und ich
Tüchtigkeit in Person, eine Frau, die alles verstand, alles konnte und auch alles tat – nur mit Hilfe ihrer beiden Hände. So eine Kreuzung zwischen Waldeinsamkeitstraum, der Reklame für eine Reinigungsmaschine und Mrs. Lincolns Kochbuch. Doch beim Brotbacken holte ich mir die erste Niederlage und wurde in meinen Ansprüchen an das Muster einer Farmersfrau etwas bescheidener. Am Ende des Winters war die Zahl meiner Niederlagen so überwältigend, daß alle guten Vorsätze weit unter dem Nullpunkt auf der von mir selbst angelegten Wertskala lagen.
Eine gute Farmersfrau zum Beispiel behilft sich nicht mit gekaufter Hefe. So will’s der Brauch. Warum dies so ist, weiß ich nicht, aber nimmt die Farmersfrau gekaufte Hefe, so ist sie keine Zierde ihrer Innung. Der zur Gründung des Haushalts erworbene Hefekern wird durch Zusetzen von Kartoffelwasser und stetig gleiche Temperatur wirksam erhalten. Ich brauchte nicht mehr lange dazu, um zu erkennen, daß auf unserer Farm die einzige Möglichkeit, etwas gleichmäßig warm zu halten, war, es mir vorne in den Halsausschnitt zu stopfen. Also nahm ich Abschied vom schönen, alten Brauch der selbstgefertigten Hefe und begnügte mich mit frischer, im Laden gekaufter.
Mein erstes Brot war blaßgelb und schmeckte, als hätten wir es beim Reinigen des Kühlers in Pastenform von den Wänden gekratzt. Ich ließ mich nicht entmutigen und buk abermals. Diesmal wurde eine zähe, klebrige Masse daraus, die mehr Ähnlichkeit mit dem glitschigen Zeug hatte, das wir trotz gemeinsamer Bemühungen nicht aus dem Kühler herausbekommen hatten.
Auf Bobs freundliches, aber unerbittliches Zureden hin packte ich einen Laib Brot und trug ihn zwecks fachmännischer Diagnose zur Nachbarin. Unglücklicherweise kam ich gerade dazu, wie Mrs. Kettle vierzehn wundervoll knusperige, braune, duftende Brote aus dem Backofen holte. Ich legte mein blasses, zitterndes und stark unterernährtes Brotklümpchen auf den Tisch, wo es so armselig und mitleiderregend aussah neben den in Kraft und Schönheit strotzenden vierzehn Artgenossen, daß ich es am liebsten schützend an den Busen gepreßt hätte und die vier Meilen damit heimgelaufen wäre.
Mrs. Kettle hatte fünfzehn Kinder und buk jeden zweiten Tag vierzehn Brote, zwölf Bleche voll Semmeln und zwei Kaffeekuchen. Mrs. Kettle war eine nette Frau, eine gute Nachbarin, eine unermüdliche Schafferin, doch Diplomatie war ihr fremd. Lange Umschweife pflegte sie nicht zu machen. Sie nahm den armen kleinen Brotlaib auf, brach ihn auseinander, roch daran, schnitt eine Grimasse des Ekels und warf die Stücke zur Hintertür hinaus, ihren ewig hungrigen Kötern vor. »Das verfluchte Zeug stinkt«, stellte sie lakonisch, aber keineswegs unfreundlich fest und wischte sich die Hände an ihrem schmutzigen Kleid ab.
Sie schob die graumelierte Vierliterkaffeekanne auf dem Herd vor, ging dann Tassen holen und rief mir von der Tür des Vorratsraumes zu: »Ma Hinckley brachte auch nie anständiges Brot fertig, als sie auf eurer Farm wohnte.« Mir fiel ein Stein vom Herzen, und ich dachte schon, es könne am Klima dort in der Nähe der Berge liegen, da fuhr Mrs. Kettle fort und nahm mir diesen Hoffnungsschimmer: »Ich könnt nicht dahinterkommen, wo’s fehlte, bis ich eines Tages rüberging, und da sah ich, wo der Hase im Pfeffer lag. Sie hatte ihren Teig geknetet, ’n mächtiges Feuer angezündet und dann alles sich selbst überlassen, während sie sich mit ’m Knecht in der Scheune amüsierte. Als sie in die Küche zurückkam, war der Brotteig viel zu heiß und die Hefe zusammengefallen. Ihre Hefe war auch zusammengefallen«, schloß sie.
Den irreführenden Verdacht durfte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen, darum beeilte ich mich zu erklären, daß die Scheune jetzt ein großer Hühnerstall sei und wir überdies gar keinen Knecht hätten. Mrs. Kettle schickte der Vergangenheit einen tiefen Seufzer nach und schenkte unsere Kaffeetassen voll. Mit dem Kaffee tischte sie heiße Zimtrollen, Himbeermarmelade und farbige Berichte über moralische Entgleisungen unserer übrigen Nachbarn auf. Es war fast Mittag, als ich Mrs. Kettles gastliche Küche verließ, bewaffnet mit einem wundervoll knusprigen Brot, einem Haufen spannender Anekdoten für Bob und nur sehr wirren Ratschlägen für meine zukünftigen Backtage.
Auf dem langen Heimweg versuchte ich, aus dem Wust ländlicher Geschehnisse das Rezept für Brotbacken herauszuschälen, aber von dem Tage an wurde meine
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