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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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ist beim Einfüllen in die Tröge warm, wird es auch warm bleiben?«
    Himmel, dachte ich, ist’s nicht genug, daß mir die Arme bald ausgekugelt sind vom eimerweisen Wasserschleppen und daß Herd sich die heimtückischsten Streiche ausdenkt, um den Wasserspeicher nicht erhitzen zu müssen? Soll ich jetzt vielleicht auch noch Rätsel beantworten? Warum kroch nicht der »Führer« höchstpersönlich in die Bruthäuser und überzeugte sich davon, ob das Wasser warm blieb, und wenn ja, wie lange?
    Der nächste neckische Paragraph war überschrieben: »Benommene Küken«. »Sind mehrere Küken benommen«, hieß es da, »so sollten diese wie auch solche, die durch vieles Piepsen auffallen, ins nächste Pathologische Institut zur Untersuchung eingesandt werden. Ergibt der Befund das Vorhandensein von B.W., so ist es empfehlenswert, das gesamte, von Küken bevölkerte Gelände zu desinfizieren und eine neue Zucht zu beginnen.« Ich blätterte den »Führer« von der ersten bis zur letzten Seite durch, konnte aber nirgends eine nähere Erläuterung von B.W. finden. Für mich blieb es ein Codewort für »Glückliche Nachrichten«. Möglich, daß es empfehlenswert war, eine neue Zucht zu beginnen, ratsamer erschien es mir, den nächsten Zug nach Mexiko zu besteigen.
    Ich zerbrach mir manchmal den Kopf darüber, wieso mir die Hühnerzucht so auf die Nerven ging. Entsprang meine Abneigung einer persönlichen Veranlagung, oder erging es anderen Hühnerfarmersfrauen ebenso? War der Graben zwischen einer Frau und einem Huhn einfach zu breit, um eine Verständigung zu ermöglichen? Als eines Morgens Mrs. Hicks bei uns auftauchte und mich bat, sie zu Mrs. Kettle zu begleiten, der sie einige Backformen zurückgeben müsse, willigte ich freudig ein. Mrs. Kettle wie auch Mrs. Hicks beschäftigten sich mit Hühnerzucht. Dieser Ausflug bot mir eine glänzende Gelegenheit, Vergleiche anzustellen und meiner häßlichen Tretmühle für eine Stunde zu entfliehen.
    Klein-Anne lag gebadet und gefüttert in ihrem Wagen unter den Apfelbäumen, die anderen Babies hatten ebenfalls ihr Futter bekommen, also hing ich meine Schürze an den Nagel, gab Bob noch einige Anweisungen und fuhr mit Mrs. Hicks davon.
    Mrs. Hicks hatte seit kurzem ein neues Mittel zur Anregung ihrer Leber entdeckt und war heiter bis zur Ausgelassenheit. Weniger gut bestellt war es mit der Laune Mrs. Kettles, die verdrießlich aus dem Haus geschlurft kam, um uns zu begrüßen, und im Vorbeigehen den vor der Küchentür herumlungernden Kötern Fußtritte verabfolgte. Zuerst dachte ich, Mrs. Kettles düstere Miene lasse die Küche so dumpfig erscheinen, doch dann drang aus der Richtung des Herdes an- und abschwellendes Piepsen an mein geschultes Ohr, und ich ging dem vertrauten Geräusch nach. Mrs. Kettle zog ihre Küken in der Küche auf. Da, wo sonst die Holzkiste gestanden, Mr. Kettles Arbeitskleider, seine Stiefel, Gerümpel, Autoteile, alte Zeitungen und die Fahrräder ihren Platz gehabt hatten, war nun der Brutraum errichtet. Eingezäunt durch verrostete Fenstergitter, die an wacklige Stühle gelehnt waren, und erwärmt durch unzählige Wärmflaschen, Krüge und sonstige Behälter mit heißem Wasser, tummelten sich hier, dem äußeren Anschein nach gesund und munter, an die zweihundert Küken. Von B. W. keine Spur, trotz fehlender Desinfektion und nicht vorhandenem Thermometer. Kein Pips, keine Tuberkulose – überhaupt keine Krankheit. Erbittert dachte ich: Schade, daß der Verfasser des »Führers« das nicht sehen kann!
    Außer den Küken beherbergte Mrs. Kettle noch ein etwas verkümmertes Ferkel in der Küche, das einzig Überlebende eines Wurfes, den die gefräßige Sau vertilgt hatte. »Bis auf einen kleinen Bastard hat das Rindvieh ihre sämtlichen Bälger aufgefressen«, erläuterte Mrs. Kettle in der ihr eigenen farbigen, wenn auch die Begriffe verwechselnden Ausdrucksweise.
    Das Vorhandensein der Küken in der Küche tat sie mit dem kurzen Satz ab: »Paw hat sie letzten Herbst bestellt, is aber nie dazu gekommen, ’n Bruthaus zurechtzubasteln, und nu werden wir sie wohl hier aufpäppeln müssen.« Die piepsenden Küken und das ungeschickt auf seinen kleinen Hufen umhertappende, keineswegs stubenreine Ferkel störten Mrs. Kettle nicht im geringsten. Was ihren Sinn verdüsterte, war die Tatsache, daß ihre ältere Schwester, die vor über zwanzig Jahren so glücklich gewesen war, einen wohlhabenden Mann in guter Position zu angeln, ihr mit der Morgenpost an Stelle

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