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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Strohspreu herausgeschafft und vom Boden der mehrere Zentimeter dicke Mistbelag abgekratzt werden. Mit einer feinen Bürste – einer sehr feinen Bürste – tünchte ich alle Sprünge und Risse in den Wänden, während Bob die Decke spritzte. War er mit dem Spritzen der Decke fertig, kritisierte er meine Arbeit und überspritzte zu guter Letzt die Wände. Daß er in seiner Pedanterie nicht darauf bestand, ich solle die Läuse einzeln einfangen, war erstaunlich. Nach erfolgtem Schrubben, Ausmisten, Desinfizieren, Ubertünchen und Spritzen kam frische Strohspreu auf den Boden, die Wassertröge wurden gescheuert und gefüllt, die Futternäpfe ebenfalls, und dann hielten die Hennen ihren triumphalen Einzug, beladen mit Mist, Läusen und wie wir hofften – auch Eiern.

Der Reiz des Unerreichbaren
    Kataloge von Samenhandlungen sind für mich die anregendste Lektüre und Samenhandlungen die großzügigsten Unternehmungen, die ich kenne. Sie fragten niemals mißtrauisch nach dem Beweggrund, wenn ich mir die Kataloge bestellte, obwohl sich aus der Bestellung ersehen ließ, daß ich in der westlichsten Ecke der Vereinigten Staaten lebte und sie ihre Kataloge meist mit farbenprächtigen Abbildungen tropischer Pflanzen und Blumen schmückten. Orangenbäume in voller Frucht und Blüte, Zitronenbäume, Magnolien von nie gesehenen Ausmaßen und Pfefferblüten prangten da, und schon die Namen gaukelten einem lockende Bilder von warmen, südlichen Gegenden vor. Spanische Feuerlilie, Mexikanische Flammenblume, Afrikanische Sternblume nannten sich die exotischen Gewächse. An besonders trüben, regennassen Novembertagen nahm ich mir einen dieser Kataloge vor, blätterte eine Weile darin und konnte dann, ohne zu frösteln, zum Fenster hinaus auf die grau verschleierte Landschaft sehen, während meine Ohren das liebliche Summen der Bienen, meine Augen schwellende, tropische Blumenhaine und meine Nase schmeichelnde Düfte wahrnahmen.
    Kamen im Frühling die neuen Kataloge, stürzte ich mich mit Feuereifer darauf und verfaßte Listen mit den zu bestellenden Samen; zählte ich die Preise zusammen, so ergaben sich meist Summen so um die zweihundertachtzig Dollar herum, und ich ergriff stirnrunzelnd den Bleistift und strich den größten Teil der Posten wieder aus. Hielt sich die Bestellung endlich in erschwinglichen Grenzen, schickte ich die Liste ab und wartete hoffnungsfroh auf die Samenbeutel. Gegen besseres Wissen und Gewissen bestellte ich fast jedesmal halbtropische Pflanzen von einer mittleren Samenhandlung, die unweigerlich Brunnenkresse als »Belgisch-Kongo-Mondschimmer-Blüten« und kalifornischen Mohn als »Ostindische Beutelblume« bezeichnete und in die Samentüten nie mehr als drei Samenkörnchen legte. Die Geschäftsprinzipien der betreffenden Handlung waren nicht gerade sehr anständig, aber beim Anblick ihres Kataloges wurde mir warm.
    Bob, der die benötigten Samen schon Wochen im voraus bei einer Firma der Gegend bestellt hatte, hörte sich schweigend meine phantasievollen Zukunftsträume von rankenden Flammenblumen und wogenden Ostindischen Beutelblumen im vorderen Garten an, schaufelte dann einen Graben über die ganze Breite des Gemüsegartens, düngte ihn mit Hühnermist, füllte ihn mit kräftiger brauner Erde und pflanzte Wicken.
    Im zweiten Frühling ließ sich Bob herbei, mir für meinen tropischen Blumenflor einen Treibhauskasten zu basteln. Er tat dies nicht etwa spontan und voller Freude, sondern eher schweigsam. Als er die Nägel in die Seitenleisten schlug, murmelte er etwas von »Steter Tropfen höhlt den Stein«, aber der Kasten wurde sehr schön, nach Süden gerichtet, mit drei Abteilungen, Scharnieren und kleinen Stützen für die Fensterrahmen, wenn ich sie offen halten wollte. Nun brauchte ich nur noch auf den bestellten Samen und eine kleine Abweichung vom üblichen Klima zu warten, und der Erfolg mußte mein sein. Mittlerweile wurde es Zeit, den Gemüsegarten zu bestellen. Wenn ich an die Farmer in New England dachte, die ihren Boden mit harter Arbeit und Schweiß düngen müssen, damit er etwas abwirft, fühlte ich mich beinahe schuldbewußt. Unsere Erde war von Natur aus gelb und lehmig und mit Kompost und Hühnermist gedüngt fast unanständig fruchtbar. Bob pflanzte alles in Würfeln und Reihen, und was er pflanzte, sproß gerade und im vorgeschriebenen Abstand voneinander in die Höhe. Kaum war der Samen im Boden, begann er schon sich zu regen und zu keimen, und die weitere Entwicklung zu

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