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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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beobachten, war so befriedigend wie die Entwicklung einer staatlichen Post-Obligation zu verfolgen, wo sich zum investierten Kapital mit pünktlicher Selbstverständlichkeit die Zinsen häufen, bis es Zeit wird, die Zinsen als kleines Eigenkapital arbeiten zu lassen.
    Bobs Garten war ein Musterbeispiel an Symmetrie und Ordnung. Am Rand hatte er Rhabarberstauden gepflanzt mit Stengeln, dick wie Arme und triefend von Saft, wenn man sie schnitt. Zwischen den Rhabarberstauden sproß Petersilie, Schnittlauch, Basilikum, Thymian, Salbei, Majoran, Anis und Dill. Ich täte an alles, was ich kochte, Petersilie, behauptete Bob, nur bei Eiscreme machte ich eine Ausnahme. Aber er war ehrlich genug, zuzugeben, daß gedämpfte Nierchen mit Spaghetti einem ohne Kräuter nicht mehr mundeten, hatte man sie einmal so bereitet gegessen. Von den Wicken bis zu den Rhabarberstauden wuchsen in fünfzehn Meter langen Reihen Schoten, frühe und späte Karotten, weiße Rüben, rote Rüben, Schwarzwurzeln, Sellerieblätter, Sellerieknollen, Lauch, Endivien, Spargelkohl, Weißkohl, Blumenkohl, Mais, Bohnen, Tomaten, Kürbisse, Rettich, Zwiebeln (die milden flachen Bermudas, die beinahe so groß wie Äpfel werden) und Rosenkohl. Dem Bruthaus gegenüber (genauer gesagt, der Stelle, wo in diesem Jahr das Bruthaus stand, gegenüber) legte Bob ein Spargelbeet an, das meiner Schätzung nach gereicht hätte, die Bevölkerung von Columbia River bis zum Stillen Ozean zu ernähren, vorausgesetzt, daß der Spargel so kam, wie wir es von ihm erwarteten. Die Periode des Wachsens oder besser die Periode des Reifens war knapp bemessen bei uns, denn wir hatten späten Frost und einen kurzen Sommer, aber die milden Winter und die langen, kühlen Frühlinge machten das Gemüse ausnehmend kräftig. Nichts wurde zäh oder zu scharf oder trocken, und selbst wenn wir vergaßen, die Karotten zu ernten, und sie versehentlich über den Winter im Boden blieben, schmeckten sie im nächsten Frühjahr noch zart. Es war ein Gemüseparadies, nur die Stämme unserer englischen Nuß- und Aprikosenbäume mußten wir mit Stroh umwickeln, und trotzdem erfroren die Blüten manchmal.
    Bei Bobs Gärtnererfolgen ärgerte ich mich natürlich jedesmal, wenn bei meinen Beeten Kraut und Rüben durcheinanderschoß. Sonderbarerweise verschwand das, was ich säte, oft spurlos. Andere Samen trieben schon am nächsten Morgen in die Höhe, als gelte es, ein Wettrennen zu gewinnen, und wieder andere bequemten sich erst zum Gedeihen, wenn ich die Hoffnung aufgegeben und über ihnen etwas Neues gepflanzt hatte. Spürten sie dies, erwachte ihr Ehrgeiz, und dann wuchs alles durcheinander. An einer Stelle stritten sich dicke Büschel um den Vorrang, daneben war der Boden verödet, und etwas weiter streckte sich verschämt ein kleines Pflänzchen gen Himmel, aber seitlich davon balgten sie sich gruppenweise um Luft und Licht. Meine Pflanzen litten auch insgesamt an schwacher Gesundheit, und ich darf mich rühmen, mehr Pflanzenkrankheiten in die nördliche Hemisphäre eingeführt zu haben, als es vor mir irgend jemandem gelungen ist. Ich vertraute dem Boden Brunnenkresse und Hahnenfuß an, und sie hatten kaum die Erdkruste durchstoßen, da waren sie schon mit Dschungelfäule und Himalaya-Fleckenauswuchs bedeckt. Ich konnte mich schließlich der Erkenntnis nicht mehr verschließen, daß meine Berührung den Pflanzen nicht guttat. Ich hatte kein Talent zum zweiten Mogli oder zur Hirtin der Berge, denn ich haßte all das Kraut, was sich naseweis vordrängte, und das Kraut haßte mich auch. Bob dagegen ließ sich von der Natur nicht einschüchtern, und seine Wicken hatten Riesenstengel und Blüten wie Gladiolen.
    Der Mann, von dem wir unsere Blumenzwiebeln kauften, gab mir seine schönsten Dahlienknollen und behielt nur die scheußlichen lila Ungetüme, aber als er sah, was sich aus den vielversprechenden Zwiebeln bei mir entwickelt hatte, seufzte er und meinte gutmütig: »Sie sollten sich ’nen andern Zeitvertreib suchen, ’s gibt Leute, die haben einfach den Dreh nicht raus, und da is’s besser, sie probieren’s mit ’ner neuen Liebhaberei.«

Der Berg kommt zum Propheten
    Im ersten Jahr wußte niemand, oder doch nur sehr wenige Leute, daß wir da oben in den Bergen hausten; daher ließen die Hausierer und die Geschäftsreisenden unsere Farm links liegen, und ich hatte keine Ahnung von der wundervollen Einrichtung des Von-Tür-zu-Tür-Verkaufs, bis ich an einem trüben Herbsttag die Bekanntschaft

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