Das Ei und ich
vierzehn Tage fand ich die abendliche Jagd aufregend und meine Beschäftigung der eines Falkners ähnlich. Doch als die dummen Tiere nach zwei Wochen noch immer vorzogen, im Freien zu kampieren und sich abmurksen zu lassen, neigte ich sehr dazu, mich nach dem Wie-man-sich-bettet-so-schläft-man-Grundsatz zu verhalten und sie ihrem Schicksal zu überlassen.
Hühner sind entsetzlich dumm. Jedes andere Lebewesen, das man dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr füttert, kennt einen und wird anhänglich. Hühner nicht. Sooft ich die Tür zum Hühnerstall öffnete, flatterten sie wie die Verrückten umher, gackerten aufgeregt und rannten sich gegenseitig über den Haufen. Bei Bob gebärdeten sie sich weniger hysterisch, vielleicht aber machte er sich nur nichts daraus, denn er schrie nicht und lief auch nicht weg, wenn sie sich so albern aufführten.
Im zweiten Frühjahr legte Bob einen neuen großen Hof für die älteren Hühner an, der alte sollte gepflügt und mit Klee bepflanzt werden, was den Boden desinfizierte und gleichzeitig als Futter diente. Wir erstellten vier Hühnerhöfe, so daß die Tiere sich stets auf sauberem grünen Grund tummeln konnten, denn bis der letzte zertrampelt und verschmutzt war, stand der neue wieder in Blüte. Die anderen Geflügelhalter schüttelten den Kopf über unsere Zeit- und Bodenverschwendung. Sie hielten an der alten Überlieferung fest, daß Frauen an Tumoren leiden, Babies an Krämpfen und Hühner an Krupp. Dagegen schien kein Kraut gewachsen, frische Luft und Grünfutter jedoch waren auf alle Fälle zu vermeiden und kleine, verdreckte Höfe alles, was Hühnerherzen begehrten.
Bob achtete nicht auf das Achselzucken und die spöttischen Bemerkungen und öffnete die Schiebetore zum neuen Auslauf, sobald er fertig war. Wir beobachteten die Hennen, wie sie gackernd und flatternd das neue Gebiet in Besitz nahmen und sich bald frohgemut darin ihre Lieblingsplätzchen suchten. Sie stolzierten munter umher, machten einen sehr zufriedenen Eindruck und schienen nicht halb so widerspenstig zu sein wie sonst.
Wenn die Legezeit begann, sortierten Bob und ich die alten Leghennen aus. Wir erledigten dies nachts, indem wir die Hennen von der Stange nahmen und genau Kopf, Farbe des Kammes, Körperbau und Beine untersuchten. Waren wir im Zweifel, so maßen wir die Beckenbreite. Zwei Fingerbreiten deuteten auf eine gute Legehenne. Die jungen Tiere suchte man besser am Tag heraus; allerdings machte es Mühe, sie einzufängen. Die zum Legen begabten Tiere erkannte man im allgemeinen leicht. Sie hatten etwas Mütterliches, ihre Kämme waren dick und hellrot, die Augen groß, die Schnäbel breit und kurz und die Körper schön rundlich und nicht hoch. Ihr guter Appetit und ihr eifriges Mistkratzen verriet sie ebenfalls, in ihrem Gackern klangen glucksende Wiegenliedtönchen mit. Die zum Legen Untauglichen, die Parasiten der Hühnergesellschaft, hatten ebenfalls typische Merkmale. Bei ihnen waren die Kämme klein und kümmerlich, die Augen winzig, die Schnäbel spitz und scharf, die Stelzen hoch, das Becken schmal, und sie verbrachten ihre Tage mit dummem Gekrächz, sinnlosen Balgereien und anmaßendem Auftreten. Die Nichtleger zeigten auch eine besondere Veranlagung für weibliche Gesundheitsstörungen, als da sind vergrößerte Leber, Fadenwürmer und Eileiterentzündung. Im traurigen Gegensatz zu ihren menschlichen Leidensgenossinnen machte man mit ihnen kurzen Prozeß. Statt langer Kuren hieb man ihnen mit dem Beil den Kopf ab, und damit war der Fall erledigt.
Ich gab mir wirklich Mühe, die Hühner gern zu haben. Aber ich kam ihnen weder seelisch noch körperlich näher, und am Ende des zweiten Frühjahrs haßte ich alles, was mit Hühnern zusammenhing, bis auf die Eier. Vor allem verabscheute ich das Reinigen der Hühnerställe, was Bob meist dann in den Sinn kam, wenn das Wetter herrlich war und sich wunderbar zum Waschen oder Gärtnern geeignet hätte. Auf einer Hühnerfarm ist es unmöglich, einen herrlichen Tag zu genießen, denn so strahlend die Sonne auch scheinen mag und so wundervoll die Luft ist, irgendeine widerliche Arbeit verdirbt einem die Freude am Wetter.
Unsere Hühnerställe waren sehr kompliziert angelegt mit Vorsprüngen, verschieden hohen Sitzstangen und Anbauten. Zuerst kamen beim Großreinemachen die Sitzstangen an die Reihe, die sowieso täglich geputzt und gekalkt wurden. Mit kochendem Wasser und scharfer Lauge wurden sie geschrubbt und gerieben, dann mußte die
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