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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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eines solchen Hausierers machte. Bob war in der löblichen Absicht, Dachbolzen zu schneiden, in den Wald gegangen, und ich fuhrwerkte im Haus herum und sehnte mich nach meiner abwechslungsreichen, lärmigen Familie, als sich in den Hof ein wendiger schwarzer Wagen schlängelte, aus dem ein untersetzter kleiner Mann ausstieg, der sich an der Hintertür herumdrückte wie eine verschüchterte Maus. Aufgeregt lief ich zur Tür und begrüßte den Fremden mit solch überströmender Herzlichkeit, daß er, der ja nicht wußte, wie sehr ich mich nach Gesellschaft verzehrte, rechtsum kehrt machte, zu seinem Wagen lief und beladen mit vier schweren Koffern keuchend zurückkam. Als er den ersten öffnete, begriff ich, daß ich den Schöpfer einer Strickwarenausstattung, wie sie in Handarbeitsanleitungen zu stehen pflegt, vor mir hatte. Die Strickjacke ähnelte einem melancholischen Schlauch mit Schalkragen; das Abendkleid war mit Schiffchenarbeit verziert, an einem plumpen Bettjäckchen fielen die unzähligen Bändchen und Schleifchen auf, und unter der großen, wollenen Kappe hätten selbst die abstehendsten Ohren Platz gefunden. Auch Pullover in kurzer, in der Taille angeriehener oder gerader Kasackform waren vorhanden, und diese ganze Pracht breitete Jack der Stricker in hellbraun und rosa vor meinen Augen aus.
    Er tat dies mit unendlichem Stolz und einem Leuchten in den Augen, daß in mir der Verdacht aufglomm, er habe die Muster selbst fabriziert, und ich stellte mir vor, wie er auf halber Höhe der Bergstraße den Wagen anhielt, hinter dem Steuer vorkletterte, es sich hinten im Fond gemütlich machte und mit hurtigen Fingern schnell ein neues Abendkleid mit gehäkelter Spitze verzierte oder ein neckisches Bettjäckchen strickte.
    Er hatte in seiner Kollektion sehr hübsche, einfache Strickgarnituren aus Material, das sich weich und warm wie Katzenfell anfühlte. Ich konnte nicht widerstehen und probierte eines an, doch da mußte ich zu meiner Enttäuschung feststellen, daß der spitze Ausschnitt Falten warf und sich schief zog und der lange, enge Rock sich so eng um meinen Allerwertesten schloß, daß es aussah, als taste dieser Körperteil nach einem Sitzplatz, auch wenn ich ganz gerade stand.
    Eines nach dem anderen mußte ich die vorgelegten Muster zurückweisen, und bei jedem Artikel, den ich verschmähte, wurden Jacks wäßrige Äugelchen betrübter und sein Anzug schäbiger. Wir waren beide der Verzweiflung nahe, als er Socken hervorholte, wunderbare, richtige, derbe, warme Socken aus fester Wolle. Ich bestellte sofort zwölf Paar für Bob, und Jack wurde zum Essen bei uns eingeladen. Der Auftrag schien ihn jedoch mit frischem Mut erfüllt zu haben, denn er lehnte dankend ab, klappte seinen Koffer zu und verschwand in Richtung der Kettleschen Farm, wo ihm Mrs. Kettle sicher seinen gesamten Vorrat an Jacken, Pullovern und Strickkleidern abnahm und ihn nicht so bald wieder weiterziehen ließ.
    Als Bob aus dem Wald heimkehrte und ich ihm strahlend von meiner großartigen Bestellung berichtete, entgegnete er kühl, ich hätte seine Sockengröße um zwei Nummern zu klein angegeben. Was sollte ich tun? Im Regen zu Mrs. Kettle hinüberpilgern und die Sockengröße bei Jack berichtigen oder erst einmal die Lieferung abwarten und dann langwierige Verhandlungen wegen eines Umtausches anbahnen? Ich beschloß, mir die zu kleinen Socken schicken zu lassen, und ging niedergeschlagen zu Bett, meine Füße wie ausgeleierte Hosenträger hinter mir herschleifend.
    Dann kamen Weihnachten und die Weihnachtskataloge. Ich wählte alle Geschenke im Katalog aus, was herrlich war, denn erst einmal tat ich so, als käme es auf Geld bei mir nicht an, und traf eine Phantasieauswahl all der Dinge, die mir gefielen, und wenn ich mich genug damit gefreut hatte, suchte ich aus, was ich wirklich brauchte und mir auch leisten konnte.
    Eines der Hauptprobleme war immer, ob ich mich von der geheimnisvollen Bezeichnung »vielfarbig« verführen lassen sollte. Bis auf landwirtschaftliche Maschinen konnte man beinahe alles rosa, rot, blau, grün, mais (es hieß stets »mais«, niemals gelb) oder vielfarbig haben. »Vielfarbig« hörte sich an, als wären alle übriggebliebenen Farben benützt worden, wie wir es beim Färben der Ostereier zu tun pflegten, wo von jedem Farbenrest ein Klecks gemacht wurde. Der Seelenkampf endete stets mit der Bestellung in einer bestimmten Farbe, aber ich war mir meiner Feigheit bewußt und machte mir nachträglich immer

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