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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Prunkdecke zu Boden. »Hab, seitdem ich geheirat hab, jedes Jahr so ’nen Bettüberwurf oder ’ne Decke gemacht«, erläuterte sie. »Dort drüben im Schrank liegen sie alle. Wird ’ne nette Überraschung für die Kinder, wenn ich mal abkratz, und sie finden dann die vielen Decken und Bettüberwürfe. Sie sollen sich auch aufs Bettüberwurfmachen verlegen, Betty, und nich die dämlichen Bücher lesen. Stück für Stück ’ne Decke zusammensetzen, das beruhigt.«
    Zu ihren Füßen lag ein ebenfalls schon gewaschener und gebleichter Futtersack und ein großes blaues Achteck. Mrs. Kettle bückte sich ächzend und schob mir die beiden Teile zu. Dann fädelte sie mir die Nadel ein und forderte mich auf: »Versuchen Sie’s mal.« Ich nahm gehorsam Nadel, Futtersack und Achteck und begann, das bunte Baumwollstück auf die Sackleinwand zu sticheln.
    »Wenn ich so sitz und näh«, fuhr Mrs. Kettle fort, »dann denk ich über alles mögliche nach. Wie ich geheiratet hab, da war ich sauber und gepflegt, und bei mir war immer alles tipptopp, ’s Haus und auch die Kinder, aber Paw war so ’n fauler Kerl, und ich mußt den ganzen Tag schimpfen und schimpfen, daß er den Zaun flickt, die Ställe putzt, sich die Füße wäscht und frische Wäsche anzieht, und wie das so ’ne Weile ging, da überlegte ich mir, das hat keinen Sinn und dachte, Paw, den kannst du nich mehr ändern, der wird nich sauber und fleißig, also mußt du dich ändern und faul und schlampig werden, sonst gibt’s den lieben langen Tag nichts wie Schimpfen und Schimpfen. Und dann gewöhnt ich mir’s an, alles seinen Gang gehen zu lassen und mich um nichts mehr zu kümmern, und ich kam drauf, daß es gar nich so wichtig is, wie man lebt, so oder so; ’s is natürlich nich angenehm. Paw schleppt den Dreck ins Haus, und letzte Woche, da schickte uns die Käserei ’ne Warnung, weil die Sahne nich sauber war. Na ja, aber Paw is ’n gutmütiger Teufel, hat die Kinder nie geschlagen, und ich seh nich ein, was denn nu in Birdie Hicks’ Leben so viel schöner is mit ihrer verdammten Schufterei von morgens bis abends.« Sie wälzte sich auf dem Stuhl vor und zog sich hoch. »Nehmen Sie mal den Topf mit den kleinen Kuchen dort oben runter, Betty, ich schenk uns inzwischen Kaffee ein.«
    Kurz darauf verließ ich Mrs. Kettles gastliche Küche, beladen mit dem Material für einen aus Stoffwürfeln zusammengesetzten Bettüberwurf und vielen guten Ratschlägen. Daheim stürzte ich mich sogleich mit Feuereifer auf die neue Betätigung und schleppte das begonnene Werk von Raum zu Raum, um seine Wirkung als Decke, Wandbehang oder Bettüberwurf auszuprobieren.
    Bob zeigte absolut keine Begeisterung für meine herrliche neue Errungenschaft und fuhr fort, aus dem »Hühnerzüchter« laut einen Artikel über Pips und seine Verhütung vorzulesen, nach jeder Zeile absetzend, ganz gleich, ob der Satzinhalt die Zäsur bedingte. Sport jaulte leise im Schlaf, Herd ächzte, die Kojoten setzten mit ihrem allnächtlichen Heulkonzert ein, und der Abend schlich in ungestörter Langeweile dahin. Am folgenden Abend begrub ich Material und Decke zuunterst in der Schublade, wo die von »Nennen-Sie-mich-schlicht-und-einfach-Myrtle« verschnittenen Hängekleidchen Annes lagen, blätterte in den Magazinen, die Mrs. Hicks mir geliehen hatte, und machte es mir bei der spannenden Geschichte eines Mordes im Nachtlokal gemütlich.
    Mrs. Hicks belieferte mich reichlich mit Familienblättchen und illustrierten Zeitschriften. Sie brachte sie mir stets mit der Versicherung, alles Gedruckte zutiefst zu verachten, und erklärte den Besitz von vielen Zeitschriften damit, daß sie sie nur wegen der Rezepte und Strickanleitungen kaufe. Jedenfalls bereitete sie mir manche angenehme Stunde durch ihre Back- und Strickleidenschaft, obwohl bei jedem Roman regelmäßig mindestens eine Fortsetzung fehlte.
    Verna Marie Jefferson, die Frau des Alkoholschmugglers, sandte mir Unmengen von Romanheftchen, die sich Wahre Geschichten, Dem Leben abgelauscht, Die Beichte, Wahre Liebe oder Traumwelt nannten. Mrs. Jefferson erstand die Hefte nicht, um sich geistig zu bereichern; da sie nicht lesen konnte, vergnügte sie sich damit, die vielen Bilder zu betrachten. Ich las sie alle, ohne Ausnahme, und war zugleich hingerissen und beschämt. Da beklagte ich mich über mein Leben und hatte keine Ahnung, was wirkliche Sorgen waren! War Bob ein Dieb? War er ein Mörder? Trank meine Mutter? Waren meine Geschwister Morphinisten?

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