Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
daß die Kinder den Rattenfänger identifizieren können. Das wird ein weiteres Hindernis weniger auf unserem Weg sein, so daß wir bald herausfinden können, wo du wirklich hingehörst.« Calum grinste zu ihr hoch und drückte dann ihre Hände. »Ich werde es ihm sagen gehen. Du mischst dich weiter unters Volk.«
Er gab ihr einen kleinen Schubs in Richtung der nächstgelegenen Traube schwatzender Männer und Frauen.
Kisla fing sie ab.
»Mein Vater wünscht mit Ihnen zu sprechen, Acorna. Er sagt, Sie wären ihm schon den ganzen Abend über ausgewichen.«
Es steckte eine bemerkenswerte Kraft in ihren skelettdürren Armen, als sie das größere Mädchen an der nächstgelegenen Gruppe vorbei und in Richtung eines Quartetts bugsierte, zu dem dankbarerweise auch Onkel Hafiz zählte. Acorna hörte bei seinem Anblick auf, sich zu widersetzen.
Hafiz stand auf und küßte ihre Wange. »Du bist jedesmal schöner, wenn ich dich sehe, Acorna. Hier sind Baron Kommodore Manjari und seine Frau Ilsfa, die dich näher kennenlernen möchten. Der Baron behauptet, er verschifft alles und jeden überall hin in der bekannten Galaxis. Darüber hinaus, wie du dir sicher bewußt bist, Acorna, war die Familie der Baroneß, die Acultanias, eine der ersten, die sich auf Kezdet ansiedelten und die Bedeutung des Planeten für diesen Sektor erkannten.«
Die Baroneß lächelte sie artig an, während sie sich mit den erlesenen Petits fours vom Tisch neben ihr den Mund vollstopfte. Baron Manjari erhob sich höflich auf die Füße, nahm seine Hand aus der Tasche und tippte sich kurz an die Lippen, bevor er nach Acornas ihm entgegengestreckter Hand griff. Er sah nicht sehr eindrucksvoll aus, dachte Acorna: mittlere Größe, hagere Statur, was den ausgemergelten Körperbau seiner Tochter erklären mochte. Er hatte ausnehmend stechende Augen und einen starren Blick, der ihren Schädel zu durchbohren suchte. Es gelang ihr, einen Schauder zu unterdrücken, als er ihre Hand an seinen Mund führte. Statt einen Kuß oberhalb der Haut nur anzudeuten, pflanzte er einen sehr feuchten Schmatz auf ihren Handrücken.
»Sehr erfreut«, begrüßte er sie mit einer sonderbar trockenen, gedehnten Stimme, fast einem Flüstern, als ob er irgendein Leiden an seiner Kehle hätte. »Ich habe schon den ganzen Abend darauf gewartet, ein paar Worte mit Ihnen wechseln zu können.«
Als er ihre Hand wieder freigab, begann sie sich unwohl zu fühlen und strich unter dem Vorwand, ihre Frisur zu richten, mit ihrer Hand über ihr Horn. Sie konnte spüren, wie ein Kribbeln ihre Stirn durchzog, und der giftige Kuß – denn das war es, worum es sich gehandelt hatte – war neutralisiert.
Baron Manjari mochte Schiffe besitzen, welche die ganze bekannte Galaxis durchkreuzten, und in der Lage sein, Kontaktgifte aufzutreiben, die von Lis Überwachungsstrahlen nicht entdeckt werden konnten, aber er war noch nie zuvor jemandem ihrer Spezies begegnet. Ihr Problem bestand nun darin zu entscheiden, wie sie darauf reagieren sollte, daß man ihr soeben eine unzweifelhaft »tödliche« Dosis Gift verabreicht hatte. Sie bemerkte, daß er jetzt ein Taschentuch herausholte, um seine verräterischen Lippen abzuwischen, und dann ein kleines Pillendöschen, wobei er erläuterte, als er daraus ein winziges weißes Oval entnahm, daß es Zeit für sein Medikament wäre.
»Es war nicht meine Absicht, unhöflich zu wirken«, begann Acorna mit geselliger Artigkeit, wobei sie der Baronin zunickte, die gerade schwer mit der Entscheidung zu kämpfen hatte, welche kleine Delikatesse sie als nächstes versuchen sollte. »Die kleinsten sind mit Himbeerlikör gefüllt«, teilte sie ihr hilfreich mit und wurde dafür von der Frau mit einem leeren Blick und vom Baron mit einem beinahe höhnischen Grinsen bedacht. »Ich glaube, ich sollte mich für ein paar Augenblicke setzen«, wandte sich Acorna unvermittelt an Onkel Hafiz, der ihr unverzüglich in den Stuhl half, den er gerade freigemacht hatte.
Sie begann ihre Hand zu reiben, ganz als ob sie sich nicht bewußt wäre, was sie da tat. Sie fing den begierigen Ausdruck in den Augen des Barons auf und die Spannung in den entblößten Schultern seiner Frau. »Onkel, ein Glas von etwas Kühlem, bitte?« meldete sie sich, wobei sie ein gehöriges Maß an Dringlichkeit in ihre erhobene Stimme legte.
» Selbstverständlich.«
Acorna benutzte den reich verzierten Fächer, der von ihrem linken Handgelenk baumelte. »Ich weiß nicht, was plötzlich mit mir los
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